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Zwischen Den Zeilen

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Die höflichste Art von Schweigsamkeit: sein eigenes Zimmer nicht mehr verlassen.

Beim Lesen besonders gescheiter, um nicht zu sagen gelehrter Bücher kann ich mich selten der Vorstellung von der örtlichkeit, wo der Verfasser gedacht und gedichtet, entziehen; die Bilder drängen sich, gleichsam als sichtbare Resümees, mir geradezu auf; und dem entsprechend rubriziere ich nicht mehr, wie einst gelernt, unter Idealismus, Materialismus, Realismus et cetera, nicht unter Neu-Platonis-mus, Thomismus, Positivismus, Phänomenologie und so weiter, sondern ich scheide in Vorzimmer-Philosophie, Campingplatz-Philosophie, Fin-de-siecle-Salon-Philo-sophie, Autobahn-Raststätte-Philosophie, Rasenbank-Philosophie, Zimmer-Küche-Kabinett-Philosophie, Basilika-Philosophie, Abort-Philosophie, Schlafzimmer-Philosophie, Tramway-Philosophie, Badehütte-Philosophie. Und sowie ich ein solches Kriterium habe, verstehe ich gleich die Sache viel besser. Allein die Hörsaal-Philosophie bleibt mir weiterhin unverständlich.

„Meine Bücher gewonnen,, mein Leben verloren": ein doppeltes Glück.

Flüssiger Stil: überflüssige Leere.

Als Zwanzigjähriger hatte ich mir gewünscht, am Schreibtisch zu sterben. Aber ich mußte fast sechzig werden, um draufzukom-men, wie diesen Wunsch mir zu erfüllen. Ganz einfach: indem ich den Schreibtisch nicht mehr verlasse.

Und da ich mich nunmehr dran halte, fühl' ich mich sicherer als an jedem beliebigen anderen Ort.

A ber immer und überall sicher werde ich dann erst mich fühlen, wenn ich gedachten Wunsch als die letzte Hybris durchschaut habe.

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