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Der Vorkurs am Bauhaus

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MEIN VORKURS AM BAUHAUS. Gestaltnngs. und Formenlehre. Von Johannes Itten. Otto-Maier-Verlag, Ravensburg, 1963. 195 Selten. Preis 48 DM.

Der „Vorkurs“ des Bauhauses ist „zur Grundlage des bildnerischen Elementarunterrichtes der fortschrittlichen Kunstschulen in aller Welt“ geworden; aber nicht nur das: man hat bereits eine Doktrin des Handarbeitsunterrichtes aus ihm gemacht. Dieses Buch dokumentiert von neuem, daß Itten für dieses Gebastel in aller Welt nicht verantwortlich gemacht werden kann.

Wenn man vom Bauhausvorkurs spricht, muß man zunächst festhalten, daß sein Begriff nicht nur mit der Person Ittens verbunden ist; nach 1923 haben ihn Josef Albers und Läszlö Moholy-Nagy weitergeführt. Ittens Abgang von der Schule, im Frühjahr 1923, bezeichnet den Wendepunkt im geistigen Klima des Bauhauses, nicht erst die Übersiedlung nach Dessau. „Diese ersten Weimarer Bauhausjahre werden fälschlich als die romantische Zeit des Bauhauses bezeichnet“, schreibt Itten. „Meiner Meinung nach waren es die universalistischen Jahre.“ Über den Konflikt zwischen ihm und Gropius beziehungsweise den Anhängern van Doesburgs gibt es heute noch die Meinung der Parteien: Hans M. Wingler wirft Itten sehr ungenau „Verführung zum ideologischen Zerreden der Gestaltungsprobleme“ und „Abwertung des

von Gropius vorgezeichneten Leistungsprinzips“ vor. Aber es ist durchaus vorstellbar, daß die Geisteswelt des „Sturm“ — östlicher Philosophie, Esoterik in Lebensweise und Kleidung, wie sie von Itten vertreten wurden — den Jungen „ungeordnet, doktrinär und abgestanden“ erschien.

Heute freilich kann man gegen den späteren Vorkurs geltend machen, daß seine werkstattmäßige Materialbehandlung den tatsächlichen Problemen der industriellen Produktion nicht gerecht wird und daß es leicht war, aus ihm eine modernistische Doktrin zu machen. Itten können solche Vorwürfe deshalb nicht treffen, weil seine Methode nicht auf das Material, sondern auf die Person gerichtet war: „Das Programm ist jeder einzelne Schüler.“ So entstand ja der Vorkurs: Statt in einer Aufnahmsprüfung die Begabung festzustellen, sollte sie in einem Probehalbjahr geweckt werden. So gibt das Buch auch nicht „Lehrstoff“, sondern Beispiele jener unwiederholbaren Momente, in denen „es gelingt, in diesem oder jenem Schüler die innerste Zelle zu treffen und ein geistiges Licht anzuzünden“.

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