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Deutsches Charismatscherl

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Seit knapp mehr als einem Jahr ist der Meister nächtlich am Werk. Sein Name, populär und bieder deutsch wie Maier und Mül ler, prädestiniert ihn geradezu zum Publikumsliebling.

Und eine teutonische Kollegin konnte anläßlich des Kulturjahresrückblicks 1996 nicht umhin, Herrn Schmidt als den Charismätiker unter den Moderatoren zu bezeichnen. Verblüfft?

Doch der irltellektuell-religiöse Standesdünkel weicht alsbald der Toleranz der Einschaltzifferngesellschaft - definiert doch Meyers Konversationslexikon „Charisma" so: „die besondere Eigenschaft, die Personen aufgrund geglaubter Verbindungen mit schicksalsbestimmenden Gewalten zugesprochen wird. Maßgebend sind nicht objektive, sondern subjektiv den Charismaträgern von ihren Anhängern zugeschriebene Attribute."

Und solches gibt Harald, der Charismätiker, einer strengen Liturgie folgend, von sich. Stammgäste im Ritual sind Polen und Chinesen. Er-stere, weil sie offensichtlich „Untermenschen" sind - und was könnte besser für verläßlich aufkommende Lustigkeit garantieren, als die Sprechschwierigkeiten der beiden ostasiatischen Herren mit schlechtem Deutsch.

Doch die Menschlichkeit ist ein weites Land, und so kann man noch schnell alle Landbewohner, alle Bürger der neuen Bundesländer, Alte, Kranke und Körperbehinderte beleidigen. Applausspitzen werden allerdings erreicht, wenn der Charismätiker - literarisch-mythologisch - den „blinden Resi" auftreten läßt beziehungsweise die erfolgreichste Sendung aller Zeiten, „Die dicken Kinder von Landau", Gelegenheit für einen frischen Kalauer geben.

Und damit sich auch die Feministinnen angesprochen fühlen, agiert der Charismätiker auch gern als Charismatscho. Musiker und „prominente" Gäste dürfen ministrieren und der „IJe(a)tterman" erinnert gern an die Originalität der Sendung. Und ein paar Anrufer kann man immer noch pflanzen.

Und so werden wohl die Gagmacher weiter im Verborgenen ihren täglichen Charismatsch kochen, denn für II. S. ist charismatischerweise „selbst der schlechteste Witz noch wert, gesendet zu werden".

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