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Philosophische Wanderschaft

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GABRIEL MARCEL. Von Morle-Madelelno Davy. Verla; Josef Knecht, Frankfurt am Main. 835 Selten. Preis 12.80 DM.

Der Titel des Originals „Un Philosophie Iltinėrant” — Ein wandernder Philosoph — dient der Übersetzung nur als Untertitel. Das deutsche Wort Wandern ist zu plump, um jenen Zustand von Pilger- und Sucherschaft, von immerwährendem Aufbruch und steter Bereitschaft zur Frage zu beschreiben, der Gabriel Marcel eigen ist. Dem deutschen Sprachraum ist eher der Name des Philosophen ein adäquater Begriff für diese Geisteshaltung geworden. Das rechtfertigt die Titelübertragung und beweist, daß die Gedankenwelt Marcels hierzulande schon ebenso bekannt ist wie in Frankreich.

Die Verfasserin, eine Schülerin Marcels, will eine umfassende Einführung in sein Denken geben und widmet ungefähr je ein Drittel ihres Buches einem Lebensporträt, dem dramatischen Schaffen und der Philosophie. Die glühende Verehrung und Rechtfertigung aller noch so sonderbaren Schritte ehrt die Schülerin. Sie enttäuscht alle jene Leser, die eine Auseinandersetzung erwarten. Der Esprit des Stils der Davy steht in einem besonders bei den Franzosen ganz ungewohntem Gegensatz zu der Kritiklosigkeit und Anhimmelei.

Die Bedeutung der Musik in Marcels Leben ist bekannt. Die Musikalität, ins Dichterische sublimiert, ist ja nicht selten die Ursache für den Anreiz, den eine Philosophie bietet. Die unmittelbare Wirkung über das für Kunst empfängliche Gefühl geht der Dialektik weit voraus und gibt der Phrase von den „Dichtem und Denkern” jenes Körnchen Wahrheit, das zu ihrer Verbreitung nötig ist und nicht unbedingt für Deutschland allein gilt.

Gabriel Marcel als Dramatiker ist dem deutschsprachigen Publikum verhältnismäßig unbekannt. Die Autorin gibt ausführliche Inhaltsangaben des ziemlich umfangreichen Bühnenschaffens und untersucht das Verhältnis der dramatischen Aussage zur Philosophie. Die Zusammenhänge sind insoferne lose, als Marcel das Theater nicht — wie etwa Sartre — als Lehr-Dialog auffaßt. Zum Verständnis des Christlichen bei Marcel kann man freilich einen Einblick in die Dramatik nicht entbehren. Es ist eigentlich nicht ganz verständlich, warum unsere Bühnen Marcel noch nicht richtig „entdeckt” haben.

Die Art, in der Gabriel Marcel philosophiert, ist der existentiellen Situation der Gegenwart so gemäß, daß der Anhang, den der Weg gefunden hat, nicht wunder nimmt. Gleichwohl steht das „Metaphysische Tagebuch” in einer alten Tradition. Der immer konkrete Ausgangspunkt und die gelassene Unruhe des Wanderns machen die Lehre zu einem Medium möglicher Gerechtigkeit mit sich selbst. Der soziale Aspekt wird nicht betont. Das Buch bietet sich als profunde Einführung in diese Welt an.

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