101 Ausreden von Schwarzfahrern

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Wer beim Schwarzfahren erwischt wird, will sein Ansehen retten und die Strafe vermeiden, aber die Antworten gehen sparsam mit der Wahrheit um. Die Wiener Verkehrsbetriebe haben 101 dieser Ausreden von Schwarzfahrern gesammelt und plakatieren seit einiger Zeit eine um die andere, zum Schmunzeln für die Zahlenden und zum Nachdenken für die anderen.

Doch wer sammelt und plakatiert die 101 Ausreden des österreichischen Staates, der seit Jahren beim Schwarzfahren erwischt wird? Verpflichtet, 0,7 Prozent seines Bruttonationalprodukts der Entwicklungszusammenarbeit zu widmen, konnte er 1998 dafür nur 0,22 Prozent des BNP verrechnen. Knapp hat die Alpenrepublik damals innerhalb der EU die rote Laterne Italien (0,21 Prozent) überlassen.

Der Kontrollor OECD kritisierte die Leistungsunwilligkeit der Alpenrepublik: "Österreich ist als drittreichstes Land der EU einer größeren Anstrengung fähig." Die Reaktion der Bundesregierung auf diese internationale Kritik war die Kürzung der Mittel für Programm- und Projektförderung im Außenministerium. Dort sollen statt der vor wenigen Wochen prognostizierten 950 Millionen Schilling im Jahre 2000 nur mehr 680 Millionen aus dem Budget zur Verfügung stehen. Nennt man das in Wien nicht Chuzpe?

* Ausrede Nr. 1: Österreich hat so hohe Kosten für Flüchtlinge. Von 1994 bis 1998 sind die Ausgaben für Flüchtlinge um eine Milliarde Schilling gesunken, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit wurden nicht erhöht.

* Ausrede Nr. 2: Österreich ist führend bei der Unterstützung der Reformstaaten Mittel- und Osteuropas, doch seine "Ost-" und "Südhilfe" zusammen ergeben nicht einmal die durchschnittliche "Südhilfe" der EU-Staaten (0,33 Prozent des BNP).

* Ausrede Nr. 3: ... Vielleicht ist Österreich ganz einfach zu reich, um sich Entwicklungszusammenarbeit leisten zu können.

Du armes Österreich.

Martin Jäggle ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit .

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