Aussperrend eingesperrt

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Es dauerte einige Zeit. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht, einmal, dann noch einmal. Ein Riegel wurde entfernt. Ein zweiter Schlüssel wurde in einem zweiten Schloss gedreht, einmal, dann noch einmal. Dann wurde die Tür einen Spalt geöffnet, soweit die kleine Türkette es eben erlaubte.

Für mich war es ein Schock, zum ersten Mal als Begleiter von Sternsingern, die übrigens allesamt Sternsingerinnen waren, das erleben zu müssen. Diese Frau besitzt aus lauter Angst eine komplizierte Sicherheitstür, um alles Bedrohliche ganz sicher auszusperren, und hat doch nur sich selbst eingesperrt.

Menschen setzen sich selbst hinter Schloss und Riegel und merken gar nicht, wie sie sich beim Ausschließen selbst einschließen. Sollten sie Hilfe brauchen oder sollte vielleicht ein Brand ausbrechen, niemand könnte durch die Sicherheitstür zu ihnen gelangen.

Dieses Bild war mir während der sonntäglichen Seligsprechungen vor Augen. Da wurde ein Mensch selig gesprochen, der (aus Angst?) die Gefahren der Zeit von der Kirche fern halten wollte und die Kirche dicht gemacht hat, abgeschottet gegenüber der Welt und besonders gegenüber der Moderne. Verständlich, wenn er eines Tages sich selbst als Gefangener verstanden hat.

Da wurde aber auch ein Mensch selig gesprochen, der "in der Gegenwart Gottes sich so selbstverständlich und sicher bewegt hat wie ein Mensch in den Straßen und Gassen seiner Heimatstadt" und die Fenster und Türen der Kirche weit geöffnet hat.

Nach der biblischen Tradition ist Angst das Gegenteil von Glauben, wie im Gleichnis von den Talenten die Gestalt des dritten Dieners, der das anvertraute Talent vergräbt, deutlich vor Augen führt.

Und ein Auftrag Jesu, Türen und Fenster zu schließen, ist eigentlich nicht bekannt, im Gegenteil, der Geburtstag der Kirche war ein pfingstliches Fest der geöffneten Türen.

Martin Jäggle ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

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