Werbung
Werbung
Werbung

Graz einmal anders: Ein Spaziergang auf den Spuren der Religionen und Konfessionen.

Graz glänzt. Seine Straßenbahnen strahlen in steirischem Hellgrün und Mur-blau und spielen bei jeder Station den Anfang der Landeshymne. Hellgrün und blau sind auch die Farben des Logos von "Graz 2003. Kulturhauptstadt Europas." Und hellgrün und blau leuchtet das Dirndl der staatlich geprüften Fremdenführerin Evelin Glaser. Energisch sammelt sie ihre Schäfchen um sich und mustert mit wachsamen Augen, was da hin- und herwogt und geordnet werden will: Deutsche Kirchentags-Protestantinnen, erkennbar am Karorock, den Birkenstocksandalen und den Nickelbrillen; Musliminnen mit farbenprächtigen Kopftüchern; ein schweigsamer Sikh mit weißem Bart und ebenso weißem Turban, auf den ein kleiner Jude mit dicker Brille einredet; und schließlich zwei hochgewachsene Bartträger in schwarzen Wallegewändern, die sich als serbisch-orthodoxer und russisch-orthodoxer Mönch entpuppen.

Fürwahr eine ungewöhnliche Gruppe für einen Stadtrundgang. Aber in Graz gehen die Uhren sowieso anders, erklärt Evelin Glaser ungerührt mit Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, den Uhrturm. Auch ein interreligiöser Stadtspaziergang mit ebensolchen Teilnehmern kann eine erfahrene steirische Fremdenführerin nicht erschüttern.

Glauben incognito

Und so marschiert die buntgemischte Truppe los. Lässt die betont unauffällige evangelische Heilandskirche hinter sich - laut den Ausführungen des ehemaligen Superintendenten Ernst-Christian Gerhold eine Erinnerung daran, dass die Protestanten in der Steiermark ihren Glauben auch nach dem Toleranzpatent Josefs II. sozusagen nur incognito ausüben durften. Hört die barocke katholische Stadtpfarrkirche die Sonntag-Vorabendmesse einläuten, passiert das Buddhistische Zentrum und kommt schließlich vor dem berühmten Landhaus im italienischen Renaissancestil zum Stehen, dessen Bau ebenfalls die Protestanten in Auftrag gaben.

Aus seinem Arkadenhof klingt Klaviermusik, huscht durch Graz' Gassen mit ihren noblen Bürgerhäusern aus der Barockzeit und begleitet Evelin Glaser und ihre Gruppe bis hin zur Brücke über die Mur. Hier beginnt gleich nach der roséfarbenen Altkatholischen Kirche und dem Krankenhaus der Elisabethinen eine andere Welt: Graue Wohnblöcke, Bars mit verdächtig roten Herzen, ungeteerte Straßen.

"Hierher gehen wir sonst nicht", sagt Evelin Glaser, und es klingt missbilligend. Kein Wunder: Staatlich geprüfte Fremdenführerinnen der Stadt Graz pflegen Touristen Anderes zu zeigen. Jetzt allerdings scheint es, als wären die Touristen die Attraktion: Mit offenen Mündern starren schwarze Kinder die beiden Mönche an, als wären sie verirrte Fledermäuse. Ihre Mütter betrachten erstaunt das Dirndl. Doch schon öffnet sich das Tor zu einem mintgrünen kleinen Haus. Hier hat die Union islamischer Kulturzentren eine Heimat gefunden.

Um 3:40 ruft der Imam

Religionslehrer, Imam und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Steiermark/Kärnten, Mahmoud Kamel, haben sich versammelt, um die Gäste zu begrüßen: "Salem aleikum" tönt es, dann rezitiert der Imam einen Vers aus dem Koran. Auch hier gehen die Uhren anders: Sie sind bereits auf 3:40 Uhr gestellt, der Gebetszeit für den nächsten Morgen. Eine Einführung in den Islam, ein kurzer Austausch. Zwar stellen der Sikh und eine Kirchentagsfrau kritische Fragen zur Dialogbereitschaft des Islam, aber das kann die interreligiöse Harmonie nicht wirklich trüben. In Österreich sei alles bestens, heißt es freundlich-bestimmt, und dann wird zum Essen eingeladen. Noch einmal muss Evelin Glaser zur Eile mahnen, denn eine letzte Station wartet noch: die neue Synagoge von Graz mit ihrer blauleuchtenden Kuppel. Dort feiert die Israelitische Kultusgemeinde gerade das Ende des Schabbats.

Leise klingeln die Glöckchen an der Torarolle und ein kleiner Bub hilft dem aus Wien angereisten Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg eine Kerze zu halten. Ein Schluck Wein, dann der Wunsch des Rabbiners an alle: "Eine gute Woche!" Womit das interreligiöse Zeitgefühl endgültig durcheinander ist und man nur hoffen kann, dass wenigstens der liebe Gott in Graz den Überblick behält.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung