Consumo ergo sum, oder: Einkaufsfeiertag

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Zuerst schien es ein Sprechfehler zu sein, doch nach mehrmaligem Hören war diese Möglichkeit mit Sicherheit ausgeschlossen. Aber auch eine Falschmeldung konnte nicht in Erwägung gezogen werden, die Nachrichten mussten sich auf einen realen Sachverhalt beziehen: Es gibt einen neuen Feiertag in unserem Land.

Neben den traditionellen christlichen Festtagen oder den politischen Feiertagen hat Österreich nun auch einen "Einkaufsfeiertag".

Darauf haben die (Hörfunk-) Medien jedenfalls mehrmals an diesem Tag aufmerksam gemacht. Da dieser neue Feiertag nicht in die Kategorie der politischen Feiertage wie etwa der 1. Mai oder der Nationalfeiertag fällt, steht er wohl den religiösen Feiertagen nahe, aus denen er ja hervorgegangen ist - der 8. Dezember, früher Maria Empfängnis genannt, nun unter neuem Namen.

Einkaufen als religiöse Handlung und von staatswegen als arbeitsfreier Tag geschützt. Consumo ergo sum. Ein Warenfeiertag einladend zur Wallfahrt in die Konsumtempel.

Weiterhin aber gibt es den Sonntag, der als arbeitsfreier und noch einkaufsfreier Tag Widerstand leistet der modernen Religion vom "totalen Markt".

Nachdem bereits ganze Landschaften oder besondere architektonische Leistungen zum Weltkulturerbe erklärt worden sind, ist die Frage berechtigt, ob dies nicht auch für den Sonntag notwendig wäre? Die Siebentagewoche mit ihrem großen wöchentlichen Festtag ist ein einzigartiger Beitrag der jüdisch-christlichen Tradition zur Humanisierung der Gesellschaft und würde dies rechtfertigen.

Aber Zukunft hat trotz aller Schutzbestimmungen letztlich nur, was gelebt wird und sich als lebenswert erweist.

Ob sich da die Kirche als Biotop erweisen kann für eine Sonntagskultur, die getragen ist von der Erfahrung "Mit dir mein Gott, kann ich aufatmen und feiern"?

Martin Jäggle ist Professor an der Religions-pädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

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