Der Tod der Entfernung

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn man jahrelang in einer kleinen Wohnung wohnte und später eine große Villa baut oder gar erbt, lebt man oft noch wochen- oder monatelang eigentlich nur in einem kleinen Teil dieser Villa. Und das, obwohl das ganze Haus bereits voll möbliert ist.

Seit einigen Wochen ist nun die "Grenze" zwischen alten und neuen EU-Mitgliedsländern abgeschafft. Aber unsere Mitbürger haben bereits davor entdeckt, dass das Haus Europa viel größer geworden ist, und sie haben gelernt, davon Gebrauch zu machen.

Als Europäer sucht man heutzutage häufig - wenn man jung und "dynamisch" ist - eine gut bezahlte, legale Arbeit, mit einer Perspektive von zwei bis fünf Jahren und dazu in einem EU-Land, das keine Doppelbesteuerung verlangt. Dieser Logik sind 25 Prozent der Einwohner der im polnischen Sudetengebiet liegenden Jelenia Gora gefolgt und binnen ein paar Monaten nach dem polnischen EU-Beitritt nach Irland ausgewandert.

Die ostdeutschen Städte, die schon früher einen Großteil ihrer Einwohner nach Westdeutschlands "verloren" haben, hätten gerne Ärzte, Techniker oder spezialisierte Handwerker aus Jelenia Gora "importiert" - dafür war es nun zu spät.

Die "Woiwodschaft Dublin", wie man in Polen familiär die irische Migrantendestination nennt, war für sie eben viel attraktiver. Dank der günstigen Flugverbindungen zwischen Herkunftsland und Arbeitsplatz ist in Europa der "Tod der Entfernung" eingetreten.

Die Konsequenzen für den polnischen Arbeitsmarkt sind noch nicht voll abzusehen, aber das, was bereits spürbar ist, ist interessant genug.

Was es bei uns noch nicht gibt, ist eine Massenwanderung der Pensionisten in den Süden. Wird wohl auch das kommen?

Die Autorin war von 2000 bis 2004 polnische Botschafterin in Österreich.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung