Ein Brandstifter wie Judas

Werbung
Werbung
Werbung

Und man konzediert SAID, dem deutschen Dichter mit iranischen Wurzeln, dass er einmal mehr imstande ist, ein konzises zeitgenössisches Jesus-Bild anzubieten.

Sicher ist: Der Blick "von außen" tut mehr als gut: Jesus nicht aus der Binnenperspektive erahnt - beispielsweise wie vom Juden und Schriftsteller Amos Oz in seinem "Zwischenruf" von "Jesus und Judas" (Seite 3 dieser FURCHE). Oder auch mit den Augen eines literarischen Beobachters, der aus dem islamischen Kulturkreis kommt: SAID, der deutsch-iranische Lyriker, hat sich in seinem jüngsten Werk, "ich jesus von nazareth", des jüdischen Wanderpredigers angenommen, auf dessen Lehren, Leben, Tod und Auferstehung sich eine Weltreligion beruft.

Und man konzediert dem Dichter, dass er einmal mehr imstande ist, ein konzises zeitgenössisches Jesus-Bild anzubieten. Das ist zwar keine Überraschung, denn schon vor gut zehn Jahren hat SAID durch den Zyklus "psalmen" sein Publikum überzeugt, dass mit heutiger Sprache die Verdichtungen der biblisch n Gebete in Erinnerung gerufen werden können. Gleiches gelingt SAID, dem Säkularen, mit der zarten, aber wortmächtigen Sprache in Bezug auf Jesus.

Monolog eines Menschenachtenden

sie alle vermögen nichts gegen meine stimme, wenn sie die neue welt verkündet. fortgerissen von der welle der entrüstung landen sie auf der müllhalde der geschichte, neben halbherzigen, gottesverkäufern und den ewig frommen, die das trennende suchen.

Obwohl dem Rezensenten nicht bekannt ist, ob SAID etwas von Joseph Klausner, den von Amos Oz in seinem Buch zitierten Großonkel, wusste: Die Jesus-Bilder von SAID weisen mehr als einen Berührungspunkt mit jenen von Klausner auf: Beide zeichnen einen Reformer, einen Revolutionär (wenn auch ganz und gar nicht in einem platt-politischen Sinn), ein Menschenachtender -dem es vor allem um die Verachteten geht.

Man kann also "ich jesus von nazareth" von SAID und Amos Oz' "Jesus und Judas" nebeneinander lesen und dabei deren Verwandtschaft in der Sicht auf den Nazarener entdecken. ich, jesus von nazareth, bin sohn einfacher leute; pharisäer haben mich "sohn gottes" genannt. ich verabscheue euch und eure etiketten. ich bin ein brandstifter wie judas.

Und gleichermaßen macht es Sinn, eine der zahllosen Wortmeldungen von Papst Franziskus zur Hand zu nehme, in denen er, Jesu Beispiel zitierend, zur Menschensorge aufruft. Dieser Dichter aus Deutschland mit iranischen Wurzeln und dieser Papst aus Rom, der aus Argentinien kam, entpuppen sich als Brüder im Geist - auch wenn SAID es sich wohl verbitten würde, christlich vereinnahmt zu werden. Aber dieser Jesus lässt nicht los. Auch nicht den Dichter.

ich jesus von nazareth Von SAID. Mit einem Nachwort von Erich Garhammer. Echter 2018. 64 Seiten, geb., e 13,30

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung