Gott - der Urheber des Bösen?

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In der Kathedrale zu Palma de Mallorca sind zwei siebenarmige, aus Silber gefertigte Leuchter zu bewundern. Die Schäfte der beiden Kandelaber erinnern an die Wolken- bzw. Feuersäule, die dem Volk Israel durch die Wüste voranzog. Die Kerzen werden von sieben Engeln gehalten. Am Fuße der Leuchter aber sind Teufel zu sehen, gebeugt und geknechtet.

Die Botschaft dieser liturgischen Geräte scheint einfach und klar. Dargestellt wird der Gegensatz von Licht und Finsternis, Gut und Böse. Das Böse ist entmachtet und Gott unterworfen.

Doch haftet dieser Darstellung, genauer besehen, eine tiefe Zweideutigkeit an. Erinnern die gebeugten Teufel nicht auch an Atlas, der das Weltall auf seinen Schultern trägt? Spielt also das Böse für diese Leuchter nicht buchstäblich eine tragende Rolle?

Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Und so entsteht ein Vexierbild des Bösen. Das biblische Evangelium will als Botschaft der Befreiung gelesen werden, als Zusage, dass die Bitte des Vaterunsers erfüllt wird, wir mögen von dem Bösen erlöst werden.

Das Christentum, so lautet die moderne Kritik, redet den Menschen allererst ein schlechtes Gewissen ein, um sie dann erlösen zu können. Es beschwöre also geradezu das Böse, und dies sei der von ihm selbst auf die Welt geworfene Schatten.

Der Schatten des Bösen aber fällt auch auf Gott. Die beiden Leuchter aus der Kathedrale zu Palma versinnbildlichen das Theodizeeproblem. Ist nicht, so lautet die alte Frage, Gott selbst der Urheber des Bösen? Sagt er nicht selbst von sich in Jesaja 45,7, dass er sowohl das Licht als auch die Finsternis schafft, den Frieden und das Unheil?

Luther spricht in diesem Zusammenhang vom verborgenen, abgründigen Gott, vom deus absconditus und von Anfechtung. Die Theodizeefrage bleibt der Pfahl im Fleisch des Glaubens.

Ulrich H. J. Körtner ist Professor für Syste-matische Theologie H.B. an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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