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Der rasante und scheinbar unaufhaltsame Aufstieg des Jörg Haider war auch genährt von einer Sehnsucht nach dem starken Mann und tüchtigen Führer. Diese Sehnsucht bleibt auch in modernen Demokratien stets aufrecht, weil Demokratie auf langwierigen und für viele oft undurchsichtigen Verhandlungsgeschäften zwischen verschiedenen Interessen beruht. Sie wird heute verschärft durch den Zynismus der Pragmatiker und den Mangel an kollektiven Zielen.

Haider dagegen bietet einfache Antworten und klare Ziele. Die großen Vereinfachungen des Jörg Haider erscheinen seinen Wählern als Produkt seines großen Über- und Durchblicks, seine Lösungsvorschläge als realistisch, seine Entscheidungsfähigkeit als bestechend. Es ist der Charme des Dezisionismus, mit dem Haider seine Wähler betört. Da aber jeder Charme sich irgendwann verbraucht, wenn er nicht auch an Taten gemessen werden kann, muß zumindest der Schein von Entscheidungstüchtigkeit gewahrt werden. Was immer sonst die verschiedenen Parteisäuberungen von Innsbruck und Salzburg motiviert haben mag, sie sollten auch die rasche und kompromißlose Entscheidungsfähigkeit des Parteiführers unter Beweis stellen. Sie sollten vorführen, was Politik jenseits des mühsamen Interessenausgleichs sein könnte: Es wäre eine Politik ohne Kompromisse. Nicht zuletzt darin liegt der Demokratiemangel des Jörg Haider.

Doch seit der Affäre Rosenstingel ist alles anders. Zwar setzt Haider auch darin auf Vereinfachung: zunächst auf die Behauptung, diese Causa habe mit der FPÖ nichts zu tun, dann auf die Beschuldigung von Regierungsmitgliedern, sie unterhielten Beziehungen zur Russen-Mafia. Aber er kann damit nicht einmal die FPÖ-Öffentlichkeit mehr von seiner Fähigkeit überzeugen, alle und jederzeit "überwachen und bestrafen" zu können. Seine Entscheidungen der letzten Tage sind sprunghaft und konfus, seine Selbstdarstellungen märtyrerhaft. Das ist das Gegenteil des Führerprinzips. Sollte er dagegen schon seit längerem von den Machenschaften seiner Funktionäre gewußt haben, würde auch die Rolle des Märtyrers als sein zweitbestes politisches Prinzip unbrauchbar.

Die Autorin ist Universitätsdozentin für Politikwissenschaft in Wien.

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