Werbung
Werbung
Werbung

In Salzburg wird wieder fest gespielt. Als Festspielchef und Jesuitenschüler Gerard Mortier in einem Interview an die religiösen Ursprünge des Theaters erinnerte, sagte er zwar nichts Neues; aber auch alte Weisheiten fallen leicht der kirchlichen Vergeßlichkeit zum Opfer.

Durch Salzburg gehen, heißt durch eine gewachsene Festspielkulisse wandern. Sie ist den Fürsterzbischöfen zu verdanken , von denen einer freilich nicht nur Kunstsinn, sondern auch viele Kinder hatte. Als George Tabori 1987 Franz Schmidts "Buch mit den sieben Siegeln" inszenierte, wurde er aus der Kollegienkirche vertrieben: man sah zuviel nackte Haut - so wie heuer in der monströsen Shakespeare-Collage "Schlachten", die auch gleich auf die Perner-Insel ausgelagert wurde.

Was ist geschehen, seit die Fürsterzbischöfe keine Fürsten mehr, aber gewiß kinderlos sind? Immer noch stehen die Kulissen, aber die Kirche hat die Bühne verlassen. Anstand ist eingekehrt, und das Theater machen andere. Übermut und nackte Haut, das Tierblut des Hermann Nitsch und das Menschenblut der realen täglichen Massaker scheinen für Kirchenmenschen kein Thema mehr zu sein. Das große Welttheater der Psalmen, des Hiob, des Calderon wird vor der Domfassade inszeniert. In der Kirche ist nicht mehr für Jedermann Platz, schon gar nicht für Künstler, deren Bilder und Redensarten so anstößig und brutal, so zärtlich und menschenfreundlich sind, wie man sie im Kircheninneren kaum noch verträgt.

Die schmerzliche Entfremdung zwischen Kirche und Kunst begleitet als feiner, schneidender Mißton die sommerlichen Festspiele, nicht nur in Salzburg. Wenn schon von der Re-Evangelisierung Europas die Rede ist, dann auch von der Re-Kultivierung der Kirche. Wahrheit zu verwalten und Moral einzumahnen ist zu wenig.

Nicht umsonst läßt die Bibel die Weisheit vor den Augen Gottes spielen, als hätte sie nichts Nützlicheres zu tun; nicht umsonst läßt die Scholastik Gott nicht nur das höchste Wahre und Gute, sondern auch das summum pulchrum sein. Also ist Kunst keine frivole Dekoration des Alltags, sondern unerläßlich, um etwas vom Welttheater Gottes zu begreifen.

Die Church- Watchers sind eine Initiative des Instituts für Pastoraltheologie in Wien.

E-mails mit Diskussionsbeiträgen an:churchwatchers.pastoraltheologie@univie.ac.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung