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Kalender zeigen es, Zeitungen sagen es, und auch wer nichts Gedrucktes konsumiert, sieht es, wann das Fest der modernen Mobilität, Ostern genannt, begangen oder - besser gesagt - erfahren wird. Kluge Kommentatoren schreiben zeitgleich darüber, daß in diesen Tagen die Christen Tod und Auferstehung Jesu Christi feiern. Doch damit wird ein lokaler, regionaler, konfessioneller Blick gewohnheitsmäßig zur beherrschenden Weltsicht. Denn die Christen - ja selbst die katholischen Christen - feiern zu verschiedenen Terminen Ostern. Das "Heute" der Osternacht ist nicht dasselbe, je nachdem ob nach dem Gregorianischen Kalender der Westkirche gerechnet wird oder nach dem traditionellen Julianischen Kalender, dem die Ostkirchen treu geblieben sind. Nur ganz selten - etwa im kommenden Jahr 2001 - ist Ostern nach beiden Kalendern am selben Tag. Doch in postmoderner Beliebigkeit ist die Termindifferenz mittlerweile kein Problem, soll doch jeder den Ostertag haben, den er für richtig hält; aber in islamischen Ländern bedeutet die für alle sichtbare christliche Uneinigkeit über den Ostertermin einen gravierenden Verlust an Glaubwürdigkeit.

Nach westlicher Sicht ist das Kalenderproblem natürlich eine rein praktische Frage, nach östlicher Sicht aber auch eine theologische Frage, besonders über die heutige Gültigkeit altkirchlicher Grundsätze, wonach etwa das "Pascha des Herrn" nach dem "Pascha des Gesetzes" zu feiern ist. Die Bemühungen um einen gemeinsamen Ostertermin werden gerade durch das kommende Jahr verstärkt.

Aber selbst wenn sich, was derzeit nicht absehbar ist, West- und Ostkirche über einen gemeinsamen Termin verständigen können, bleibt ein Problem weiter bestehen: Daß Christen auf der südlichen Erdhälfte ein Fest, das in seiner Geschichte und Symbolik dermaßen vom Frühling geprägt ist wie Ostern, im Herbst feiern dürfen.

Martin Jäggle ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit .

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