Wilhelm Bruners, 80: Die Bibel gegen den Strich gebürstet
Er hat die Bibel in seinen Büchern und Exerzitien – und noch mehr bei seinen unnachahmlichen Touren in Israel und Palästina – vielen Menschen nahegebracht. Zum 80. Geburtstag des Priesters, Schriftstellers und „Landschaftstheologen“ Wilhelm Bruners.
Er hat die Bibel in seinen Büchern und Exerzitien – und noch mehr bei seinen unnachahmlichen Touren in Israel und Palästina – vielen Menschen nahegebracht. Zum 80. Geburtstag des Priesters, Schriftstellers und „Landschaftstheologen“ Wilhelm Bruners.
Österreich spielt eine Rolle auf seinem Lebensweg, und keine geringe dazu: Vor 80 Jahren, am 4. Juni 1940 in Meschede (Nordrhein-Westfalen) geboren, jetzt in Mönchengladbach am Niederrhein lebend, verschlug es den zum Bistum Aachen gehörenden Priester Wilhelm Bruners umständehalber nach Wien: Sein Doktorvater Jacob Kremer war einem Ruf an die Theologische Fakultät gefolgt. Bruners reiste am Allerheiligentag 1974 an, für zwei Monate. Denn seine Dissertation musste er, Kaplan in Krefeld, nebenher schreiben. Kremers Assistent war damals Wolfgang Schwarz, was sich als Glücksfall erweisen sollte.
Helmut Krätzl war (anders als andere Bischöfe) von Bruners’ erstem erfolgreichen Buch „Wie Jesus glauben lernte“ (1988) angetan, das unter anderem ins Polnische, Ungarische, Niederländische und sogar in Blindenschrift übersetzt wurde. Ebenso wie die „Frohbotinnen“ im vorarlbergischen Batschuns. Bruners war ein gern und oft gesehener Referent in Bildungshäusern – vom Bodensee bis Wien. Er wurde für biblisch-ignatianische Exerzitien angefragt. Und Dolores Bauer, die ihn wiederholt für den ORF interviewte, meinte nach der ersten Begegnung: „Als ich das Tonbandgerät abschaltete, sagte ich aus tiefer Überzeugung: ,Sie sind der erste Mensch, zu dessen Füßen ich wie Maria sitzen möchte, nur um Ihnen zuzuhören.‘ – Die Bibel hatte für mich plötzlich eine ganz neue Dimension bekommen und war an allen Ecken und Enden mit lebendigen, plastischen Gestalten bevölkert.“ Die Bibel, gegen den Strich gebürstet!
Die Pluralität von „Anderssein“
Ausgebombte Kirchen und brennende Häuser prägten Bruners’ frühe Kindheit. Den Sohn vierzig Jahre später in Israel zu wissen löste bei den Eltern Entsetzen aus: „Wir teilten ja die Erinnerung an den Krieg. Und sicher kommt es daher, dass ich mein Leben immer im Horizont einer Katastrophe lebe. Aber einer, die nicht eintritt.“
Während der zwei Jahrzehnte in Israel erlebte Bruners zwei Golfkriege und zwei Intifadas. Prägend dabei die Pluralität von „Anderssein“: „Fremdheit des Deutschen, Fremdheit des Dazugekommenen, Fremdheit des Christen, Fremdheit des Katholiken, Fremdheit des Theologen, Fremdheit des Priesters.“ In dem autobiografischen Buch „Zuhause in zwei Zelten“ (2017) berichtet er eindrücklich über seine christliche Existenz in Israel und Palästina.
Nach Kaplansjahren in Krefeld und der Promotion in Wien baute Bruners in Mönchengladbach die Erwachsenenbildung auf. Dann sah er in der Schweizer Jesuitenzeitschrift Orientierung eine Annonce des Theologisch-Praktischen Instituts (TPI) in Mainz. Die Stelle wurde von 1979 bis 1987 zum Traumjob: Dozent für theologische und pädagogische Weiterbildung. Zwei Mal, 1982 und 1985, nutzte er den Sommer zum Schnuppern: „Kloster auf Zeit“ bei den Benediktinern in Jerusalem. Hans Hermann Henrix von der Katholischen Akademie in Aachen hatte ihn für den jüdisch-christlichen Dialog sensibilisiert.
Ein Lebenstraum: Jerusalem
Zum ersten Mal ins Heilige Land gereist war Bruners als Diakon, 1966, ein Jahr vor dem Sechstagekrieg. Zusammen mit drei Kollegen aus dem Aachener Priesterseminar fuhr er im Auto durch den Balkan, die Türkei, die Paulusstadt Tarsus, Syrien, den Libanon und Jordanien, am Ende durch das „Mandelbaumtor“, das bis 1967 in der demilitarisierten Pufferzone zwischen Israel und Jordanien lag, der einzige Übergang für diplomatisches Personal.
Im Jänner 1987 kam Bruners zurück. Abt Nikolaus Egender von der „Dormitio“ hatte ihn „angesteckt“: Mit 47 trat Bruners ein, wurde Postulant, dann Novize. Er band sich zunächst für drei Jahre ans Kloster, dann ein weiteres Jahr. Bibelstudien vor Ort, das war seine Idee. Der Abt hatte andere Pläne: Ein Verwalter wurde gebraucht. Als ihm eröffnet wurde, er solle sich künftig um die Güter der Abtei, die Olivenhaine und Plantagen in Tabgha kümmern, trat Bruners kurz vor der Ewigen Profess aus. „Bruder Markus“ (sein Ordensname) wollte nicht Prior werden. Auch nicht Abt, ein Amt, das ebenfalls drohte.
Der Austritt mündete in einen Übertritt. „Ich möchte, dass Sie in Jerusalem bleiben“, meinte der Heimatbischof Klaus Hemmerle, der ihn 1987 losgelassen hatte, dem aber schwante, dass das Kloster auf dem Berg Zion (in Sichtweite zum Grab von Oskar Schindler) auf Dauer nicht der richtige Platz für ihn sei. Genau jetzt kam ein neuer Rektor ins Österreichische Hospiz an der Via Dolorosa im muslimischen Viertel der Altstadt: Wolfgang Schwarz. Er holte Bruners im Sommer 1992 ins Hospiz. Schon bald wurde dort, mit Unterstützung von Helmut Krätzl, eine Dependance des Österreichischen Katholischen Bibelwerks eingerichtet: die Bibelpastorale Arbeitsstelle.