Wunderbares Letztgeheimnis

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Sind wir nicht mehr da / kommt eine große Ruhe / zurück in die Welt, konstatiert der Lyriker Franz Dodel über sich und den Kosmos, den er durchlauscht und in den hinein er seine Augen geworfen hat -nicht nur er, bis an die Enden der inneren Erde, des empfundenen Seinsraumes, wo kein Satz mehr haltbar zu machen ist, wessenthalben dann Finalsätze vom Nichtsein geschrieben stehen mögen oder es müssen. Einen ruft Jesus am Kreuz, wenn alles vorüber ist, das halbe Sein und die Identitäten ausgedeutet, die Geschichte vom Versagen an sich und den Nahesten wie den Fernsten, die in rasenden Bildern über die Schirme rauschen, uns anblickend, die Schuld ins wahre Leben werfend:"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun".

Ist er nicht mehr da, kommt die Gottesruhe wieder in die Welt aus der Kraft der Vergebung, dieses wunderbare Letztgeheimnis über allem Unverstehbaren, aller bewusster wie unbewusster Schuld in diesem einen Sterben. In seiner Geste und seinem Weltwort, in dem Untröstlichsten, das Gott sich zustoßen lässt, geschieht das Passionswunder, das sich ereignen will über die Zeiten zeitgleich in jedwedem Leben, das unter den Gefühlen unheilbarer Ohnmachten leidet und immer weiter leidet, immer!

"Es gibt die Würde der Untröstlichkeit", sagt Fulbert Steffensky. Und es gibt für diese Dunkelwürde, Gott sei Dank, eine Zeit, sie zu feiern mit Passionsfreude. Denn in dieser dunkelhellen Zeit der Passion fällt die ungeschminkte Einsicht in die Todesverfallenheit, die Täter wie Opfer betrifft, mit dem Glück der Befreiung aus der Unwiderruflichkeit der Todes zusammen. Darum ruft ein inneres Passionsjauchzen "Komm, süßes Kreuz", komm als Zeichen der Verwandlung, die befähigt zu einer neuen Weltaneignung, bis wir ganz da sind und bis wie von selbst uns ein Anderes gelingt.

Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien

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