Einsichten in das Kaleidoskop der Liebe

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Viele Psychoanalytiker teilen eine große Liebe zum Kino. Das mag daran liegen, dass der Blick auf die Leinwand zu einem grandiosen Ausflug in die Tiefen der menschlichen Seele werden kann. Vielleicht liegt es auch an der speziellen Situation der Kunstwahrnehmung im Kino: Trägt doch die höhlenartige Atmosphäre wesentlich dazu bei, die verführerische Macht der Filme zu entfalten und den Zugang zu großen Gefühlen sowie den Kräften des Unbewussten zu erleichtern - ähnlich wie auf der Couch des Psychoanalytikers Emotionen und innere Bilder provoziert werden sollen. Und in Spielfilmen werden die großen, nie abgeschlossenen Themen der Menschheit immer neu verhandelt -allem voran, wer würde es bezweifeln, die Liebe und das Begehren.

Auch Stephan Döring, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, und Heidi Möller, Dekanin für Humanwissenschaften an der Universität Kassel, werfen ihren psychoanalytisch geschulten Blick mit großer Leidenschaft auf Kinofilme. Nach zwei Büchern über psychische Störungen bei berühmten Filmcharakteren ("Frankenstein und Belle de Jour", 2008; "Batman und andere himmlische Kreaturen", 2010) haben sie nun einen filmpsychologischen Sammelband zum "Kaleidoskop der unendlichen Möglichkeiten der Liebe" vorgelegt: "Kein zweites Sujet lässt sich dramatisch so reichhaltig, so vielgestaltig und so bewegend gestalten", bemerken sie im Vorwort. "Wohl niemand kann sich den Gefühlen entziehen, die Liebesfilme in uns hervorrufen. In jedem von uns kommen eigene Erfahrungen (reale oder fantasierte) zum Klingen, wenn wir uns auch nur ein klein wenig mit dem Liebespaar auf der Leinwand identifizieren."

In den 31 Beiträgen werden klassische Liebesfilme der Filmgeschichte ("Casablanca") ebenso behandelt wie aktuelle Werke aus den letzten Jahren. Das Buch präsentiert fünf Themenblöcke: Dreiecksgeschichten zeigen meist schmerzliche Erfahrungen oder auch komödiantische Verwirrungen ("Meeresfrüchte"). Auch die Liebe im Alter wird hier anhand des Spielfilms "Wolke 9", dem Beziehungsdrama einer Frau zwischen zwei Männern, abgehandelt.

Psychohygienische Wirkung

Mörderische Liebe mit tödlichem Ausgang wird in Form kunstvoller Krimis ("Bonnie und Clyde"), einer antiken Tragödie ("Medea") oder als verzweifelte Liebestat ("Liebe") thematisiert. Ebenso diskutiert wird das Scheitern von Liebesbeziehungen durch schicksalhafte Einflüsse oder eine zerstörerische Paardynamik (Ingmar Bergmanns "Szenen einer Ehe"). Bei Filmen mit unerfüllter Sehnsucht erscheint die Liebe zwar möglich, es gelingt den Partnern aber nicht, den entscheidenden Schritt aufeinander zuzugehen ("In the Mood for Love"). Schließlich geht es um Filme, in denen nach diversen Liebesdramen doch noch ein Happy End erfolgt ("Pretty Woman").

Während triviale Liebesfilme in der Regel nur Klischees von klassischen Motiven liefern, finden sich in den ausgewählten Filmen differenzierte Darstellungen der individuellen Paardynamik, die sich gut für eine Analyse eignen. Der unterschiedliche Hintergrund der Autoren, von den Geisteswissenschaften bis hin zu den therapeutischen Berufen, sorgt dabei für eine spannende Wissensmixtur aus Psychologie, Medizin und Kulturgeschichte.

Neben der unterhaltsamen und vielleicht erbauenden Wirkung zeigen anspruchsvolle Liebesfilme auch eine psychohygienische Wirkung: Sie können die negativen Seiten einer Alltags-Paarroutine relativieren; dabei helfen, über Liebesschmerz hinwegzukommen oder der Aggressionsabfuhr dienen. Und sie sind wie ein Schlüssel für eine "Hermeneutik der Liebe": Denn wer mit Hilfe psychologischer Konzepte in die Welt der bewegten Bilder eintaucht, kann, wie Dörings und Möllers Buch zeigt, sein Verständnis von Liebesbeziehungen -zumindest ein bisschen -vertiefen.

Mon Amour trifft Pretty Woman Liebespaare im Film. Von S. Doering, H. Möller (Hrsg.), Springer Medizin 2014 455 Seiten, geb., € 41,20

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