Mit dem Darm denken

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Dass sich etwas "auf den Magen schlagen" kann, ist im Volksmund altbekannt. Die Beziehung zwischen dem Gefühlsleben und dem Verdauungsapparat scheint eine alte Erfahrung der Menschheit zu sein. Ist doch schon im Alten Testament von vor Trauer "gärenden Eingeweiden" und durch Liebe "bewegten Gedärmen" die Rede - von klassischen "Bauchgefühlen" also, wie man heute sagen würde. Auch psychosomatische Beschwerden manifestieren sich vorzugsweise im Magen-Darm-Trakt.

"Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat jedoch gezeigt, dass auch umgekehrt ein breiter Informationsstrom vom Verdauungstrakt zum Gehirn fließt, der weit mehr Einfluss auf unsere Gehirntätigkeit nimmt als bisher angenommen", sagte Peter Holzer, Pharmakologe an der Med-Uni Graz, beim Symposium zum 10-Jahres-Jubiläum der Initiative Gehirnforschung Steiermark. Studien haben hierzu erstaunliche Einsichten ermöglicht - und im Darm sogar ein Superorgan mit geschätzten 100 Billionen Zellen entdeckt: "Trivial gesagt leben bis zu zwei Kilo Mikroben im menschlichen Darm: größtenteils Bakterien, aber auch Viren, Pilze und andere Kleinstlebewesen", so Holzer. Der Informationsaustausch zwischen Darm und Gehirn ist nicht denkbar ohne dieses gigantische Ökosystem.

Einfluss der Mikroben

Mediziner verfolgen nun die Frage, welche Komponenten der Mikroben-Landschaft Bedeutung für die Gesundheit haben, und welche Defizite dabei ein Krankheitsrisiko darstellen könnten. Das wird derzeit etwa im EU-Projekt "MyNewGut" untersucht. Und es mehren sich die Hinweise, dass auch unsere geistige Leistungsfähigkeit unter dem Einfluss des Darm-Ökosystems steht. Bei manchen Patienten ließen sich kognitive Einschränkungen mit Veränderungen von Bakterienfamilien in Relation setzen. Altersbedingt beeinträchtigte Gehirnfunktionen wiederum konnten durch Probiotika-Gabe zur Förderung der Darmflora reduziert werden. Gut möglich also, dass der Darm auch in die Leuchtkraft und Flexibilität unseres Denkens mit hineinwirkt.

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