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Auf dem Weg zur Kulturwüste?
Während unsere Fremdenverkehrsexperten noch immer mit dem Image einer heilen Natur Touristen anlocken, im „wanderbaren Österreich" mit der „Seele zu baumeln", warnen Biologen und Naturschützer ebenso vor den Folgen des Molochs „Tourismusboom" wie vor den ökologischen Nachteilen einer Ubertechnisierten Land- und Forstwirtschaft.
Wie lange werden wohl noch Zuwachsraten im Urlaubergeschäft Ho-
tels und Gaststätten, aber auch das alljährliche „Devisenloch" der Nationalbank auffüllen können, wenn unserer Landschaft die Eintönigkeit durch Verarmung der Pflanzenwelt droht, weil noch immer Feuchtgebiete unter die Pflugschar genommen und Wildwässer in betonierte Prokrustesbetten gezwungen werden?
Droht uns wirklich durch Schipisten, Gipfelkomfort und Autobahnen ä la longue die Umwandlung in eine Kulturwüste internationalen Zuschnitts? Wenn es so weitergeht, steht uns nicht nur eine Minderung des Freizeitwertes unserer Wälder und Almen ins Haus, sondern auch eine reduzierte Nachschubbasis für wertvolle landwirtschaftliche Züchtungsexperimente.
Eine verschmälerte ökologische Basis droht weniger durch die Ausrottung einzelner Arten als durch die Vernichtung ganzer Pflanzengesellschaften.
Während es um den Artenschutz, insbesondere in den Alpenregionen gar nicht so schlecht bestellt ist, wie Botaniker versichern, wissen wir noch relativ wenig über die Funktion der einzelnen Gewächse innerhalb der Pflanzengesellschaften.
Einschlägige Landesgesetze und Verordnungen haben im Verein mit Aufklärungskampagnen in den Schulen schon viel Abhilfe beim Artenschutz geschaffen und es wird wohl kaum jemand heute noch Kopf und Kragen für das kommerzielle Sammeln von Edelweiß riskieren. Außerdem wurden manche Heilpflanzen wie der Wilde Speik oder der Bärlapp durch moderne Pharmazeutika für „wilde" Sammler unattraktiv.
Regionale Ausnahmen geschützter Alpenpflanzen gibt es für die Sammler einiger Heilkräuter oder zur Gewinnung der Wurzeln des Gelben Enzians für die Schnapserzeugung. Während ausgesprochene Raritäten wie die Kärntner Wulfenia - ein Eiszeitrelikt, das sonst nur noch im Himalaja vorkommt wegen ihrer Unscheinbarkeit kaum Gefahr laufen, büschelweise ausgerissen zu werden, haben es auffällige Blumen wie der Wilde Türkenbund, die Wildgladiole oder die heimischen Orchideen, vor allem Knabenkräuter und Frauenschuh, schon schwerer, dem übermäßigen Zugriff sogenannter Liebhaber zu entkommen.
Dementsprechend „mager" ist daher auch die Aufzählung der gefährdeten Pflanzenarten Österreichs im europäischen Rot-Buch des weltberühmten Botanischen Gartens von Kew in der
englischen Grafschaft Surrey, das 1976 mit finanzieller Unterstützung der IUCN (International Union for Con-servation of Nature) und des Europarates aufgelegt wurde.
Nur 1400 Arten oder 10 Prozent der europäischen Flora sind demnach echt bedroht, die wahre Gefährdung betrifft praktisch alle Pflanzengesellschaften von den Gipfelregionen bis zum Meeresstrand. Unter den 23 Arten der Bedrohung fallen für das Binnenland
Österreich neben Rodung und Landgewinnung vor allem die Dezimierung der Insekten als Pflanzenbestäuber ins Gewicht, aber auch die Verbleiung ganzer Landstriche beiderseits der Autobahnen.
Daß von den elf Empfehlungen zur Rettung der Flora praktische und wissenschaftliche internationale Zusammenarbeit bei der Erforschung der ökologischen Bedingungen Vorrang genießt, versteht sich fast von selbst.
Nicht nur im Ausland, auch in Österreich regen sich Stimmen, die eine Ge-
gensteuerung auch in der Land- und Forstwirtschaft verlangen. So plädiert Prof. Hannes Mayer, Inhaber des Lehrstuhles für Waldbau an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, schon seit Jahren für einen biologischen Waldbau nach Schweizer Muster, wobei dem Laubgehölz in einem gesunden Mischwald wieder seine ursprüngliche Funktion als Aufwuchsschutz und Deckung sowie als Nahrung für das Wild zukommen soll.
Einsichtsvolle Jagdwissenschafter fordern die Reduzierung der „Mast-wild"-Bestände aus ökologischen Gründen, aber auch Bestrebungen sind im Gange, die Ackerunkräuter wieder als Bestandteil eines biologischen Ak-kerbaus zu akzeptieren.
Ob wir in Zukunft vergiftete, mit fremden Pflanzenarten „vereinheitlichte" Kulturwüsten anzubieten haben, oder doch eine mitteleuropäische Natur- und Kulturoase, wird also weitgehend von unserer Einsicht in biologische Vorgänge abhängen.
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