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Investitionen für die Demokratie"

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Auf dem Zeitungsmarkt wird weiterverhandelt. Zwar setzte ein weites Lamento ein, aber wie man das Pokern um Millionen wenigstens künftig verhindern könnte, ist bislang kaum ernsthaft diskutiert worden. Stiftungen als Träger der Herausgeberschaft müssen nämlich (so ein Vorschlag der Journalistengewerkschaft) schon deshalb danebengehen, weil Zeitungen in sich selbst nicht mehrere Meinungen vertreten können.

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Auf dem Zeitungsmarkt wird weiterverhandelt. Zwar setzte ein weites Lamento ein, aber wie man das Pokern um Millionen wenigstens künftig verhindern könnte, ist bislang kaum ernsthaft diskutiert worden. Stiftungen als Träger der Herausgeberschaft müssen nämlich (so ein Vorschlag der Journalistengewerkschaft) schon deshalb danebengehen, weil Zeitungen in sich selbst nicht mehrere Meinungen vertreten können.

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Eine demokratische Gesellschaft, deren erklärtes Ziel die Ausgestaltung und Dynamisierung der Demokratie und ihrer Einrichtungen ist, bedarf der informierten Bürger, bedarf einer Presse, die die Meinungs-pluralität widerspiegelt, die eine Artikulation des politischen Willens in einer demokratischen Bandbreite zuläßt. Der geplante, wenn auch bis jetzt noch nicht abgeschlossene Verkauf des „Kuriers" weist eindeutig auf eine Monopolisierung des österreichischen Pressemarktes. Solche .großen Zeitungslösungen" greifen tief in demokratische Strukturen und Prozesse ein; nur zu leicht besteht die Gefahr, daß durch gefilterte Informationen oder Nachrichten, die allein den ökonomischen Gegebenheiten des freien Marktes angepaßt werden, demokratisches Verständnis oder Willensäußerungen der Bevölkerung deformiert werden. Wo sind die Zeiten, da sich 52 österreichische Zeitungen zum ersten großen Volksbegehren zusammenfanden, um dem Meinungsmonopol im Rundfunk durch die Koalitionspartner entgegenzuwirken? Heute müßte die

Presse ein Volksbegehren für ich selbst einleiten...

Weil die Presse daher nicht aus einer ausschließlich wirtschaftlichen Optik betrachtet werden soll, ist etwa eine simple gesetzliche Beschränkung der Auflagenzahl einer Zeitung, ein Antitrustgesetz für die Presse also, nicht sinnvoll Beschränkungen der Auflage würden nicht nur tief in den Mechanismus der freien Marktwirtschaft eingreifen, sondern wären auch nur durch strenge Normen, deren verfassungsrechtliche Grenzen vorgegeben sind, zu erreichen. So schlägt, im Gegensatz zu jeder Antimonopolgesetz-gebung etwa der österreichische Akademikerbund vor, durch konzentrierte gesetzliche Maßnahmen das Wachstum und den Ausbau mittlerer Tageszeitungen (Zeitungen, deren Auflage höchstens 150.000 Exemplare beträgt) zu fördern. Im einzelnen werden steuerliche, tarifliche und kulturpolitische Neuregelungen empfohlen: Post- und Bahnbeförderungsgebühren sollen drastisch gesenkt werden, Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben bis zu 50 Prozent refundiert werden. Analog dem Modell, Journalisten, die völksbildne-risch oder wissenschaftlich wertvolle Arbeiten publizieren, Förderungspreise zu verleihen, sollen für Tageszeitungen, die kulturpolitische oder sonst der Bildung dienende Beiträge veröffentlichen, Fondsmittel bereitgestellt werden. Die Finanzierung tragen Bund und Länder, über die Vergabe könnte der österreichische Presserat entscheiden.

Ein Problem am Rande, deshalb aber nicht minder wichtig, ist die Joumalistenausbildung. Große Zeitungen haben auf gute Journalisten eine ungeheure Sogwirkung, mittlere und kleine Zeitungen werden ausgelaugt. Hier könnte eine Stiftung aller Zeitungsherausgeber, Verleger und Presseagenturen sinnvoll eingreifen und den Journalisten Bildungsaufenthadte an Publizistenschulen oder adäquaten Instituten ermöglichen.

Zweifellos sind solche Vorschläge und Forderungen geeignet, eine Stärkung der Meinungspresse einzuleiten. Die Meinungspresse wiederum ist Voraussetzung für eine vielseitig informierte Gesellschaft, ihr demokratisches Engagement und ihre vielfältige Willensbildung.

Das Argument, daß nämlich steuerliche Begünstigungen für Zeitungen unvertretbar seien, stößt dann ins Leere, wenn finanzielle, vom gesamten Staat zu tragende Unterstützungsmaßnahmen nicht als Subventionen der Zeitungen mißverstanden, sondern als Investitionen für eine demokratische Infrastruktur begriffen werden.

Kolaric

Auf einer Gesellschaftsreise durch Anatolien kam man auch in entlegene Städtchen. Kaum hielt der Autobus, wurde er schon von der einheimischen Bevölkerung umringt. Woher die Gruppe sei, wurde gefragt. Aus Avusturya (Österreich); und schon meldete sich einer, dann zwei, drei, die unser Land als Gastarbeiter kennengelernt hatten. Ihre Gesichter strahlten. Österreich sei ein schönes Land, ein freundliches Land mit lauter netten Menschen. Und sie boten Getränke und Mokka an, kauften Tüten voll Obst und brachten sie zum Autobus. Zum Abschied winkten sie noch lange. So viel aufrichtige Herzlichkeit wurde einem entgegengebracht — es wurde eine nachdenkliche Heimkehr.

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