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Theaterdonner

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Mit den Forderungen der Bauern fing es an. Der ÖVP-Bauernbund ur-gierte bei den Gesprächen zwischen Bundeskanzler Kreisky und Vertretern der Bauernverbände eine Einlösung alter Zusagen aus den SPÖ-ÖVP-Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Zustimmung der Volkspartei zu den EG-Verträgen ausgehandelt worden waren: Es ging um eine Summe von 125 Millionen Schilling, die von der Regierung zur Exportförderung für landwirtschaftliche Produkte bereitgestellt werden sollte, was aber bisher nicht geschah.

Ein klärendes Gespräch auf Parteiobmännerebene vor einigen Wochen brachte auch keine Einigung, man vertagte sich. Vor der nächsten Zusammenkunft, vor eineinhalb Wochen, ließ der Bundeskanzler die ÖVP-Unterhändler wissen, daß er auch über andere Fragen sprechen möchte, worauf ÖVP-Obmann Schleinzer seinerseits mit einem Paket von Forderungen erschien. Soviel zur Vorgeschichte der Gespräche, die ja eigentlich erst in dieser Woche begonnen haben und deren Dauer — außer durch eine rasche Erledigung der Materien oder durch die Urlaube der Spitzenpolitiker — nicht begrenzt ist.

Es ist auch nicht gesagt, daß es bei diesen Gesprächsthemen bleibt, es gibt noch genug andere Materien, an deren Erledigung die Regierung interessiert ist und bei denen die Beratungen im Parlament stagnieren, man denke nur etwa an das große Paket der Gewerbeordnung, ein-schießlich der schwierigen Fragen des Genossenschaftsrechtes. Der Bundeskanzler dürfte jedenfalls eingesehen haben, daß man auch mit einer tragfähigen Mehrheit im Parlament nicht alles erreichen kann. Und der Volkspartei scheint es gelungen zu sein, ihr Gewicht für die Mitentscheidung wichtiger Gesetzesmaterien ins rechte Licht zu rücken.

Überdies muß der Bundeskanzler langsam doch wenigstens einige seiner Versprechen einlösen — allzulange schon hat die Bevölkerung nichts Spektakuläres, Neues aus der politischen Überraschungskiste Kreiskys zu sehen bekommen. Freilich, mit einer Verlängerung etwa des Preisbestimmungsgesetzes wird der einzelne Bürger nicht viel anzufangen wissen, mag sie noch so segensreich sein. Ihm bleibt trotzdem das

Instrumentarium schleierhaft — und er sieht nur, daß die Preise weiter steigen.

Anders ist es vielleicht bei der Volksanwaltschaft, die sich schon besser erklären läßt. Schutz des einzelnen vor der Übermacht des Staatsapparates klingt imerhin gut, obwohl nicht gewährleistet ist, daß die Bürger sieh an diese neue Instanz sehr bald wenden werden, wenn man ihnen nicht glaubhaft machen kann, daß das keine neue Behörde ist.

Am besten läßt sich aber zweifellos die Novellierung des Rund-funkgesetzes publikumswirksam „verkaufen“, gibt es doch kaum ein anderes Thema, über das sich in ähnlicher Weise so viele Leute ein Urteil anmaßen, wie die „Rundfunkreform“.

Die ÖVP könnte jedenfalls aus diesen Parteiengesprächen gestärkt herausgehen — wenn es ihr gelingt, ein korrektes, streng sachliches Gesprächsklima zu halten. Sie ist es auch, für die sich jetzt so manche Chance bietet, ihre Forderungen durchzubringen, indem sie da und dort den Intentionen der Regierungspartei entgegenkommt. Schon einmal gab es ja Parteiengespräche zwischen den beiden Großparteien, die in einer allseits als besonders bemerkenswert sachlich bezeichneten Form abgelaufen sind. Es waren dies die im Vorjahr geführten Gespräche über die Zustimmung der ÖVP zu den Verträgen zwischen Österreich und den Europäischen Gemeinschaften. Damals hatten Beobachter gehofft, es werde sich aus diesen Kontakten eine dauerhafte Gesprächsbasis entwickeln. Über Einzelberatungen kamen Kreisky und Schleinzer aber nicht hinaus. Und das Klima war auch alles andere als freundlich. Damals kreisten die Gespräche auch um die Neubesetzung des Postens des National-bankpräsidenten und die Verhandlungen über das ÖIAG-Gesetz, wo es unter anderem um die Drittel Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ging.

Trotzdem werden vielfach die derzeit laufenden Parteiengespräche sehr hoch bewertet. Die ÖVP sieht darin eine Chance, zu beweisen, daß sie sich durch gute und seriöse Vorschläge sehr wohl die Beteiligung an der Macht im Staate verdient hat. Und es ist klar, daß auf Grund der derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse eine Beteiligung nur über den Weg einer Koalition zustande kommen könnte. Im Streben nach einer Koalition hat jedoch die ÖVP einen Konkurrenten — die Freiheitliche Partei. Erst vor kurzem hat ja FPÖ-Obmann Peter auf dem Wiener Landesparteitag seiner Partei ganz unverhohlen den Anspruch auf Mitverantwortung in der Bundesregierung angemeldet.

Es wäre aber nicht verwunderlich, wenn sich in der Bevölkerung auf Grund positiver Ergebnisse der Gespräche zwischen den beiden Großparteien der Wunsch nach einer Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP breitmachte.

Seit 1966 sind sieben Jahre vergangen und die Parteien selbst haben inzwischen jede für sich Erfahrungen als Träger der Macht oder als Opposition sammeln können.

Eine Überlegung und Frage gibt es aber, wenn die Möglichkeiten einer großen Koalition diskutiert werden: Könnten Kreisky und Schleinzer zusammenarbeiten? Derzeit deuten die Anzeichen eher nicht darauf hin. Zwischen den Beiden scheint es auf rein menschlicher Basis überhaupt keine Gesprächsmöglichkeiten zu geben. Jedenfalls sicher keine so guten, wie zwischen Bundeskanzler Kreisky und dem freiheitlichen Parteiobmann Peter. — Also nur Theaterdonner?

So rätseln viele, ob die kleine Koalition nicht nach wie vor die unmittelbar-aktuellste Variante ist — die Gespräche mit der ÖVP aber keinen anderen Zweck verfolgen, als die FPÖ ein wenig unter Druck zu setzen, um sie bei der Erweiterung der Regierung gefügiger zu machen.

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