6693506-1962_48_03.jpg
Digital In Arbeit

Blocks und Fraktionen

Werbung
Werbung
Werbung

Das mag sein oder nicht. Damit allein ist aber die Frage nach dem richtigen Arbeitsmodus nicht zu lösen. Wenn es nicht tunlich erscheint, daß jeder redet, dann muß einer für viele reden können, zum Beispiel im Namen aller Bischöfe eines Landes oder eines bestimmten übernationalen Territoriums. Nun sind aber die Bischofskon-Ferenzen heute rein kollegiale Körperschaften, sie besitzen keine Rechtspersönlichkeit, sie können keine bindenden Mehrheitsbeschlüsse fassen. Auch über diese Frage wird das Konzil noch beraten, aber erst in einer späteren Zeit. Eine Reihe mehr oder weniger loser regionaler Gruppiervmgen hat sich bereits gebildet. Die afrikanischen Bischöfe, einheimische und Missionsbischöfe, haben sich zu einem gesamtafrikanischen Sekretariat zusammengeschlossen, die südamerikanischen Bischöfe beraten gemeinsam, die asiatischen Bischöfe haben Kontakte. Am bekanntesten ist die mittel- und westeuropäische Gruppe geworden, zu der sich Franzosen, Holländer, Belgier, Deutsche, Schweizer, Österreicher, Skandinavier und Jugoslawen zusammengefunden haben. Dieser Gruppe ist mit der Vorlage einer neuen Liste der Kommissionsmitglieder ein erster Vorstoß bei Beginn des Konzils gelungen. Die deutschsprachigen Bischöfe aus dieser Gruppe treffen sich jede Woche zu einer gemeinsamen Besprechung m der Anima. Man muß allerdings mit den im politischen Bereich so gängigen Bezeichnungen Block und Fraktion sowie ihre Einstufung in fortschrittlich und konservativ, liberal und reaktionär sehr vorsichtig sein. Erstens ruft jede Blockbildung, vor allem, wenn sie publizistisch herausgestrichen wird, Gegenkräfte auf den Plan; so ist es alles anders als zweckmäßig und den Teilnehmern auch gar nicht lieb, die west- und mitteleuropäische Gruppe als „deutschen Block“ zu bezeichnen, wie dies die italienische Presse oft aus sehr durchsichtigen Gründen tut. Auf der anderen Seite kann es sein, daß derselbe Bischof in einer Frage sehr „fortschrittlich“ und in einer anderen Frage wieder „ultrakonservativ“ ist. Schließlieh decken sich liberal und konservativ gar nicht mit der Herkunft der Bischöfe. So gehören in manchen Fragen spanische Bischöfe zu den fortschrittlichen und nordamerikanische Bischöfe zu den konservativen.

Im allgemeinen ist man jedoch gewohnt, die italienischen Bischöfe und vor allem die Kurie zu den konservativen Kräften zu zählen. Das ist im ersten Fall nur sehr bedingt richtig. Kardinal Lercaro, der sagte, das ausschließliche Beharren auf dem lateinischen Ritus bedeute einen Kulturimperialismus, gehört bestimmt nicht zu den konservativen. Im zweiten Fall ist es nur zu begreiflich. Bei keiner Institution gehört die zentrale Verwaltung zu den Neuerungssüchtigen und den Vorwärts-stürmenden. Ihre Aufgabe ist es, zu sichern und zu bewahren. Es wird manchmal so dargestellt, als ob der Sekretär des Hl. Offiziums, Kardinal Ottaviani, in dem sich die Kräfte des Beharrens, des Sicherns und des Abschirmens konzentrieren, ein reaktionärer römischer Finsterling wäre, der die Kirche am liebsten in die Zeit vor dem Tridentinum zurückversetzen wolle, der keine Ahnung von der modernen Theologie habe, wie das von ihm verfaßte Schema über die Quellen der Offenbarung beweise, und mit dem es letztlich auch der Papst sehr schwer habe. Gewiß, der Papst hat mit vielen Kräften zu rechnen, und es hat nicht den Anschein, als ob er eine davon übersehen würde. Kardinal Ottaviani hat bei diesem Konzil eine sehr wichtige Funktion, und es ist nicht anzunehmen, daß der Papst diese Funktion nicht zu erkennen und sie nicht einzusetzen vermöchte, ganz gleich, wie er persönlich zur Person Ottavianis und zu dessen Ideen steht. Man kann diese Funktion, wenn man will, auch als die des Bremsers, ja der Reaktion bezeichnen. Wenn, so wie jetzt, sich die Kräfte des Neuen stürmisch rühren, wenn im Überschwang der Be-wußtwerdung der Kirche Gedanken laut werden und Vorschläge gemacht, mit denen vieles Alte verworfen wird, obwohl das Neue sich erst sehr unbestimmt abzuzeichnen beginnt, dann ist das Bewahren nicht minder berechtigt als das Aufheben, das Bremsen ebenso notwendig wie das Vorwärtsstürmen, hat die Reaktion nicht minder ihre Aufgabe wie die Aktion. Es darf natürlich das Alte das Neue nicht ersticken, die Bremse nicht den Motor ersetzen wollen, die Reaktion die Aktion nicht überwältigen. Das aber scheint bei diesem Konzil und vor allem bei diesem Papst nicht der Fall zu sein. So erfüllt Kardinal Ottaviani seine Aufgabe ähnlich der des Gegenanwalts bei den Heiligsprechungsprozessen: an seinem Widerstand wird das Neue seine Kraft, seine Klarheit und sein Heil für die Kirche erproben müssen. Ei zweiter Aufsatz folgt

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung