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Zwischen Autonomie und Zentralismus

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Die „Ordenssynode“ macht deutlich, wie schwer es ist über eine charismatische Dimension in juristischen Kategorien zu sprechen.

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Die „Ordenssynode“ macht deutlich, wie schwer es ist über eine charismatische Dimension in juristischen Kategorien zu sprechen.

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Wenn Bischöfe und Beobachter sich am 2. Oktober im Petersdom in Rom einfinden, um mit dem Papst den Eröffnungsgottesdienst für eine weitere Weltbischofssynode zu feiern, haben sie vorher Berge von Unterlagen in ihre Unterkünfte gebracht, die sich in den über zwei Jahren der Vorbereitung auf dieses Ereignis angesammelt haben. Logisch schließt die Synode die Beratungen über die verschiedenen Gliederungen des Gottesvolkes ab, wie sie in der Kirchen- konstitution des II. Vaticanums formuliert worden waren: 1987 galten die Diskussionen den Laien, 1991 den Klerikern; mit dem Thema „Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt“ schließt sich der Kreis. Die Ergebnisse faßt jeweils der Papst, nicht ohne selbst Stellung zu nehmen, in „nachsynodalen Schreiben“ zusammen.

Das zur Vorbereitung an Bischöfe und Ordensobere (und ihre Konferenzen) versandte Thesenpapier, die „Lineamenta“, stellte eine Fülle von kirchlichen Aussagen unterschiedlicher Relevanz zusammen (Konzilsdokumente, Kirchenrecht, Katechismus, päpstliche und kuriale Äußerungen, Kirchenväter). In Summe waren sie von einer eher pessimistischen Sicht geprägt, im Gründsätzli- chen ziemlich einseitig und wurden dementsprechend - zumindest von den Orden, namentlich von den Frauengemeinschaften - heftig kritisiert. Aufgrund der Eingaben an das Sekretariat der Bischofskonferenz (Herbst 1993) erfolgte die Zusammenstellung der eigentlichen Arbeitsgrundlage für die Synode, des Instrumentum laboris.

Dieser Text, gegliedert in vier Abschnitte (Resümee der eingegangenen Antworten auf die in den Lineamenta gestellten Fragen; theologische Aspekte des Ordenslebens; Orden und Gesamt- beziehungsweise Ortskirchen; Sendung der Ördens- leute), hätte in theologischen Fragen angesichts der Vielgestalt des Ordenslebens eine Art Quadratur des Kreises bewältigen müssen, faßt daher in erster Linie zusammen, bleibt aber doch zu allgemein, da er die Vielfältigkeit des Ordenslebens zu wenig berücksichtigt. Er befaßt sich dann vor allem im dritten Abschnitt auch mit kontroversiellen Themen.

„AUFSICHTSRECHT“

Schon zuvor wird betont, die Bewahrung des Charismas der Gründer müsse von den Bischöfen beaufsichtigt werden — eine Ansicht, die aufgrund des kirchengeschichtlichen Befundes von den Ordensleuten nicht unwidersprochen geblieben ist. Damit ist allerdings bereits der Fuß in die Türe gestellt für eine • enge Sicht der Autonomie der Ordensinstitute, nach innen wie nach außen.

Gehört es etwa zur Autonomie, wenn eine Ordensgemeinschaft, die ein Spital erhält, ein Primariat besetzt; wie weit geht in diesem Fall das „Aufsichtsrecht“ des Ortsbischofs? Besteht Autonomie, wenn eine Ordensgemeinschaft interne Fragen (Bestellung von Oberen; liturgische Feiern; Übernahme oder Aufgabe von Diensten in der Kirche) zu lösen hat? Auf diese Fragen gibt auch das Instrumentum laboris keine eindeutigen Antworten, obwohl viele Formulierungen weit vorsichtiger gewählt sind als in den „zentra- listischeren“ Lineamenta.

Überhaupt nimmt das Dokument nach dem vereinheitlichend oder nivellierend wirkenden theologischen Teil - hier werden für alle Ordens- gemeinschaften die „Evangelischen Räte“ als konstitutiv genannt, auch für solche, die keine Gelübde der Evangelischen Räte kennen — erstaunliche Differenzierungen vor. So heißt es etwa, die monastischen Gemeinschaften verrieten ihre Berufung, engagierten sie sich in der Pfarrseelsorge (Nr. 78) — eine Aussage, die gerade österreichischen Diözesanbischöfen nicht angenehm im Ohr klingen dürfte —, der Wunsch mancher Frauengemeinschaften, zu einer zeitgemäßeren Lösung in der Klausurfrage zu gelangen, wird kommentarlos angeführt (Nr. 31).

Dem ganzen Text ist die Schwierigkeit anzumerken, die es bereitet, über eine charismatische Dimension in der Kirche in juristischen Kategorien zu sprechen, wenngleich auch in dieser Hinsicht das Instrumentum laboris um vieles besser gelungen ist als die Lineamenta. So fragen sich manche, ob es bei der Synode selbst gelingen wird, den verschiedenen Charismen gerecht zu werden oder ob die vereinheitlichende Tendenz auch die Gespräche der Bischöfe selbst prägen wird. Entscheidender aber dürfte sein, wieviel von den Beratungen in das zu erwartende nachsynodale Schreiben einfließen und — noch wichtiger - dem tatsächlichen Leben der Ordensgemeinschaften in der Kirche nützen wird.

Eines läßt sich schon jetzt sagen: In den letzten Monaten ist, auch durch die „Provokation“ der Lineamenta, in den einzelnen Orden mehr über die eigene Berufung nachgedacht worden, und dies dürfte den wichtigsten Schritt hin zu einer ausgeprägteren Identität der Ordensleute in der Vielgestalt ihrer Berufungen darstellen, die zu erhalten und zu fördern mit ein ausgesprochenes Anliegen dieser Bischofssynode ist.

Der Autor ist

Prior der Wiener Benediktinerabtei „Unsere liebe Frau zu den Schotten“

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