„Wir stehen alle Augenblicke allein da“, sagt der Weltverbesserer bei Thomas Bernhard. 1974 hieß es in der dem Schauspieler Bruno Ganz gewidmeten „Jagdgesellschaft“: „In dem Zustand der Unsicherheit / der Bodenlosigkeit / der Zügellosigkeit zu verharren, gnädige Frau / das ist es .. .“Was immer wieder und zuletzt in den „Billigessern“ als Geistesweg, (fürchterliche) Geistesexistenz, Geisteskonstitution oder Geisteskonzentration und so fort namhaft gemacht wird, bedeutet jeweils lebenslange Einsicht in die Verlassenheit des Menschen. „Geistesangst“ ist
Die Puppen haben Wien wiederum verlassen. Nach den mächtigen sizilianischen Marionetten, mit denen das blutige Ende der getreuen Paladine Karls des Großen dargestellt wurde, begann ihr Auszug. Der Stockholmer Michael Meschke verkleidete in Jarrys „Ūbu Roi“ Menschen als Puppen, verwendete Puppen in allen Größen als Requisiten und offenbarte schließlich, als er sich an Fragmente aus Dantes „Divina Commedia“ wagte, wie befruchtend die Methodik des Puppenspiels, die Konzentration einfachster Hilfsmittel in einem „armen“, der Phantasie geöffneten Theater, sich auch dort auszuwirken vermag, wo man auf Puppen verzichtet. Epos und Satire, die beiden Angelpunkte, um die, nach Obraszows Worten, das Puppenspiel kreist, gerieten nicht in Vergessenheit, als liebe und Spiel sich als Bezugspunkte manifestierten, die Walter Benjamin die Pole des Puppenerdballs genannt hatte. Wien ist ärmer geworden, seit die Puppen wieder heimgekehrt sind. Wird der Erfolg des Festivals den Anstoß geben zur Begründung eines staatlichen Puppentheaters auch in Österreich?
Nach dem Schattentheater aus Kelantan erhielt der Besucher des Welt- fcstivals der Puppentheater eine Atempause zugebilligt. Man sah den amerikanischen Totalartisten Daniel Llords mit seinem „Concert-Theater" und die wackeren „Holzköppe” aus Karl Magersuppes Steinauer Marionettentheater. Auf beides — die „Feuervogel“-Illumination aus Los Angeles und das biedere „Faust"-Spiel aus der Heimat der Gebrüder Grimm — hätte man bei einem Spitzen-Festival verzichten können. Vermutlich wäre Karl Magersuppe mit Marcel- Achards Komödie „Marlborough zieht in den Krieg" besser gefahren, zu der sein Jugendfreund Ernst Krenek die Musik geschrieben hat.
„In den Händen des Spielers hat die Puppe eine ungeheure Macht..Sergej Obraszow, der große russische Puppenspieler, sprach auch von der Faszination, die von diesen bewegten Skulpturen ausgeht, die nicht Menschen imitieren, sondern die allgemeingültige Charakteristik einzelner menschlichr Eigenschaften liefern. Nicht von ungefähr waren die Puppenspieler in der Vergangenheit verfemt, scheute man doch die Satire, den Spott und das entlarvende Gelächter, welches in ihren Händen tote Gegenstände auszulösen vermochten. Für Obraszow ist das Puppenspiel freilich nicht allein Satire; er sucht nicht nur nach einem neuen Swift, sondern auch nach einem neuen Homer. Diese Balance gehört mit zum Wesen des Puppenspiels, zwischen der gläubigen Darstellung des Heroischen und seiner unerbittlichen Preisgabe..