Warum ist eigentlich Gerhart Hauptmanns Alterswerk (1931) „Vor Sonnenuntergang“ heute so schwer erträglich? Voll von literarischen Anspielungen auf Goethe und Shakespeare, gibt es in diesem bürgerlichen „König Lear“ viele gesellschaftskritische, Ibsensehe Züge, aber dort, wo eine bemühte Regie (Karl Heinz Stroux) durch weglassen des letzten Aktes dieses beklemmende Trauerspiel in seiner gewissen naturalistischen Umständlichkeit zu straffen und auf Kosten des Zeitkolorits ins Zeitlose zu heben versucht, gelingt das nicht. Die Tragödie des Johannistriebes, die Liebe des 70jjhrigen
Moliere bevölkert in seinem „Tartuffe“ nicht zufällig die Bühne mit so viel „Familie“! Um den Hausherrn Orgon, eine Mischung aus echter Überzeugung, sich einen Platz im Himmel zu sichern, und väterlicher Brutalität, sowie die einfältige Großmama, die beide an den frömmelnden Heuchler glauben, wimmelt es nur so von Blutsverwandten und Angeheirateten, von Söhnen, Enkelkindern, Nichten und Neffen, Verschwägerungen und neuer Einheirat. Als Moliire seine Komödie schrieb, stieg da« Zeitalter des Rationalismus herauf. Noch waten die großen Begriffe wie Tradition, Autotität,