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Der gemimte Erzheuchler

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Moliere bevölkert in seinem „Tartuffe“ nicht zufällig die Bühne mit so viel „Familie“! Um den Hausherrn Orgon, eine Mischung aus echter Überzeugung, sich einen Platz im Himmel zu sichern, und väterlicher Brutalität, sowie die einfältige Großmama, die beide an den frömmelnden Heuchler glauben, wimmelt es nur so von Blutsverwandten und Angeheirateten, von Söhnen, Enkelkindern, Nichten und Neffen, Verschwägerungen und neuer Einheirat. Als Moliire seine Komödie schrieb, stieg da« Zeitalter des Rationalismus herauf. Noch waten die großen Begriffe wie Tradition, Autotität, Hierarchie in Kraft, doch auch schon auf weiten Strecken ausgehöhlt. Moliires grimmiger Angriff galt denn nicht nur den Frömmlern, sondern der Fassade, der falschen Konvention, der Machtgier, dem Geltungsbedürfnis. Auf diesem Humus, in diesem Milieu, gedieh der „Abgrund Tartuffe“. Dessen haarsträubende Unmoral war der Moral seines Gönners wesensverwandt.

Zwei Akte lang wird das Auftreten des Heuchlers, den die Mehrzahl der Familienmitglieder durchschaut, zwei dagegen für einen Heiligen halten, vorbereitet; ist er die Angel der ganzen Komödie, um die sich alle Verhältnisse und Situationen, alle Sympathien und Abneigungen der anderen Personen drehen. So betritt denn Tattuffe zu Beginn des dritten Aktes nicht wie eine Erscheinung von einem andern Stern, nicht als die Verkörperung des Lasters den Salon, sondern vorsichtig, mit angespannten Sinnen, im Bewußtsein det Gefahr, die ihm aus diesem Milieu droht, weil es ihn kennt, wie er es kennt. Der zweite entscheidende Auftritt ist am Ende, wo der Dens ex machina, der Abgesandte des Sonnenkönigs, auftaucht und das heillos Verworrene mit Gnadengewalt (gottähnlich) in Ordnung bringt. In seinet eigenen Bosheit fast erstickend, muß der Entlarvte angesichts der gesamten Familie das Feld räumen. Zwischen diesen beiden von höchster Spannung geladenen Auftritten liegt eine ganze Skala von Wandlungen, mimischen Äußerungen und Gebärden. Vor allem Mimik: denn mehr noch als sein Dialog macht sie Molieres Unsterblichkeit aus.

Dem vollendeten Schauspieler Tartuffe kann nur ein vollendeter Darsteller gerecht werden. Die berühmte Rolle gehört zu den schwierigsten in der dramatischen Weltliteratur. Als Boy G o b e r t, der Tartuffe in der Inszenierung von Günther R e n-nert im Burgtheater, die Szene betrat.--dt tat er es so beiläufig igeschäftig,: daß:zigin';jhm am liebiteihfloch eine ^Aktentasche in die Hand gedrückt hätte. Und als er nach vierlei Schaustellungen, seltsamen Händespielen und mancherlei Lachen den Schauplatz räumte, da geschah auch dies, unter kaum merklicher Erschütterung der Familie, ohne viel Bedeutung. Da lief einer einfach davon. Einige lebendige Szenen (die Familie zu Beginn, die streitenden Verlobten) verrieten die versierte Hand des Regisseurs; im ganzen gesehen aber stand die Aufführung deutlich im Zeichen eines gewissen Mittelmaßes.

Adrienne G e s s n e r lieh det Madame Petnelle ihre schon so bewährte individuelle komische Note. Judith H o 1 z-m e i s t e t als Elmire (die eigentliche, ebenbürtige Gegenspielerin Tartuffes und als Frau des läppischen Rechthabers Orgon in ihrer Einsamkeit eher eine tragische Figur) sowie Johanna Matz als Tochter Mariane wirkten merkwürdig blaß und ohne Grazie. Blanche A u b r y spielte sich als Kammerkätzchen Dorine, die alle Fäden der Komödie in der Hand hält, mit einer etwas zu forcierten Lebhaftigkeit in den Vordergrund. Ausgezeichnet Erich Auer als Orgon; mir die Erschütterung am Schluß ging in der allgemeinen Unbe telligheit unter, Get Ernst Andess als . Das hubechs Bubsembild und die Koumne shamene von ite Maximowns.

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