Werbung
Werbung
Werbung

Molières "Tartuffe" und ein 11. September-Schnellschuss in den Linzer Kammerspielen.

Jubel für Molières "Tartuffe" in den Linzer Kammerspielen: Zum ersten Mal in dieser Saison lässt sich dank eines Zusammenspiels glücklicher Umstände zu einer im großen und ganzen geglückten Produktion des Sprechtheaters Ja sagen. Zum einen liegt ihr die ansprechende Übertragung in rhythmisch gleitender Prosa von Monika Fahrenbach-Wachendorf zugrunde; zum anderen lag die Regie in der Hand eines Mannes, der in seiner Personenführung auf eine sorgfältige charakterliche Differenzierung der Figuren achtete. Mit seiner präzisen und oft aberwitzigen Interpretation dieses Juwels der Weltliteratur, gelang Jörg Hube eine volksnahe Versetzung der "haute comédie" des 17. ins 21. Jahrhundert.

Kongenial ihm zur Seite stand Volker Pfüller, dessen Bühne auf das Domizil eines reichen, frommen Jagdherrn schließen lässt und dessen Kostüme die Figuren schon äußerlich ihrem Wesen nach treffend kennzeichnen: von (pseudo)trachtig bis elegant. Zu dem mit lustvoller Komödiantik zwischen Charakterkomödie und Schwank agierenden Ensemble zählte Silvia Glogner als herrscherliche Frau Pernelle, Lutz Zeidler als ihr zum Jähzorn neigender Sohn Orgon, der vor Güte für den scheinheiligen Tartuffe schmilzt, seiner Tochter Mariane aber ein gestrenger Vater ist. Dieses Mädchen, das statt des geliebten Valère Tartuffe heiraten soll, spielt Elisabeth Wildmann als hilfloses armes Hascherl, dem trotz aller widrigen Umstände das Schicksal die energisch aufbegehrende Zofe Dorine zugesellt hat, eine Rolle, in der die quicke Marianne Hamre mit ihrem (mitunter allzu) flinken Mundwerk und den passgenau sitzenden Pointen die Lacher nur so "abräumt".

Roberto Martínez Martínez neigt als Orgons Sohn Damis zu derben Handgreiflichkeiten, während das feine Garn, mit dem Tartuffe demaskiert werden sollte, von Katharina Hofmann als Elmire mit List und Charme gesponnen wird. Thomas Kasten stattet den hinterfotzigen Gerichtsvollzieher Loyal mit der Attitüde des wohlwollenden Lächlers aus.

Der einzig Vernünftige in diesem Tollhaus ist Cléante, der besonnene Schwager Orgons, überzeugend vermittelt von Joachim Rathke. Und Tartuffe? In dieser Schurkenrolle, für die ihm leider die zwingende Präsenz fehlte, schleicht und schleimt sich Georg Bonn salbadernd durch die Handlung, bis es Tartuffe an den eigenen Kragen geht. Ein köstlicher Regieeinfall als Überraschung: Der Gipskopf des Königs (Ludwigs XIV.) auf seinem Postament beginnt zu sprechen und höchstderoselbst die Orgon rettende Wendung zu erklären. Das gute Ende ist bekannt. Wohl auch, dass es in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auch heute noch Scheinheilige und Heuchler gibt und Tartuffe nur die literarhistorische Folie dafür ist.

Es gilt noch über eine weitere Premiere in den Kammerspielen zu berichten, über die entbehrliche österreichische Erstaufführung des Bühnenmonologs "Drei Wochen nach dem Paradies: Eine Stimme aus New York City" von Israel Horovitz. Über die Ereignisse am und seit dem 11. September haben wir Erschütternderes erfahren, als diese triviale Geschichte über die Befindlichkeit des Autors, die dieser flugs für den Markt geschrieben hat. Und der Markt gehorcht. Würde der Monolog nicht von einer starken Schauspielerpersönlichkeit wie Günther Rainer gespielt, der Kitsch wäre unerträglich. Bedauerlich ist nur, dass die geplante Aufführung von Wedekinds Drama "Lulu" in einer eigenständigen Fassung des Hauses in Kooperation mit dem Regisseur dem Elaborat des cleveren Herrn Horovitz "aus aktuellem Anlass" geopfert wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung