Das alte Stück blieb diesmal leider stumm

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Der Intendant der Wiener Festwochen Luc Bondy verabschiedet sich mit einer Inszenierung von Molières "Tartuffe“ nach 16 Jahren von Wien.

Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn in einer Inszenierung von Luc Bondy selbst die kleinsten Rollen mit großen Schauspielern besetzt werden. Wen der Meister auch ruft, er oder sie kommt. Auch bei seiner letzten Inszenierung als Intendant der Wiener Festwochen war das nicht anders. Allerdings scheint es, dass Luc Bondy etwas in die Jahre gekommen ist. Zwar war seine Spezialität das zupackende Regietheater nie. Schon eher lauschte er den Texten ihre Gegenwärtigkeit ab, die er meist im immer gültig Menschlichen verborgen wähnte, indem er tief in die Stücke hineinhorchte, um sie dann mit großen Könnern der Menschendarstellung gleichsam von innen heraus aufzusprengen.

Jede Menge Kruzifixe und Hirschgeweihe

Mit "Tartuffe“ ist ihm das trotz des Starensembles nicht gelungen. Offenbar war das 350 Jahre alte Stück stumm. So ist seine Interpretation von Molières meistgespielter Komödie um den scheinheiligen Schmarotzer über weite Strecken zäh, routiniert und letztlich in Konvention erstarrt.

Dabei lässt die Bühne von Richard Peduzzi zunächst einiges erwarten. Ein heller, hoher Salon mit vielen Nischen, in denen meist Kruzifixe aufgestellt sind, und mehreren Zugängen, die durch schwere Brokatvorhänge zu schließen sind. Hinten eine Empore, auf der ein bestickter Wandteppich den eindrucksvollen Familienstammbaum erkennen lässt. Regale mit dem Familiensilber, Tischchen und Sofas sind entlang der Wände aufgestellt, an denen auffällig viele Hirschgeweihe hängen. Weniger Hinweis auf die großbürgerliche Jagdleidenschaft der Familie, als vielmehr Mahnmal für den gehörnten Ehemann? Der ganz Raum ist von einem mit schwarz-weißen Quadraten gekacheltem Boden durchzogen, der sogleich an ein Schachbrett denken lässt. Zunächst spielen hier nur die Könige Tartuffe und Orgon. Die übrigen Familienmitglieder sind dagegen nur ohnmächtige Bauernopfer, nicht nur des scheinheiligen, erbschleichenden Betrügers, sondern auch Opfer des in seinem Wahn befangenen Betrogenen.

Voss, Meyerhoff, Wokalek

Gert Voss spielt den verblendeten Hausherrn Orgon als im Grunde rechtschaffenen, aber unumstrittenen Familienpatriarchen. Seine kauzigen Anwandlungen, weil er das Offensichtliche nicht sehen will, stehen dabei bisweilen in eigenwilligem Kontrast zu seinem dunkelblauen Dreiteiler, der ihn als Geschäftsmann ausweist, und seinem schwarz ondulierten Haar.

Joachim Meyerhoff setzt seinem Tartuffe meist eine büßerhafte Unschuldsmiene auf. Aber sein an einen Religionslehrer erinnerndes Äußeres verdeckt nur schlecht, was des Pudels Kern ist: Im Nu verwandelt Meyerhoff seinen Tartuffe in einen virilen Machtmenschen oder in einen listigen, opportunistischen Heuchler oder in ein geschmeidiges, hormongesteuertes Raubtier.

Nur der Dame des Hauses Elmire (Johanna Wokalek) in ihren luftig wehenden Kleidchen ist es zu danken, dass die Geilheit des finsteren Verbrechers mit Unschuldsmiene unverhüllt zu Tage tritt. Täuschung gegen Täuschung setzt sie, um dem durch keine Vernunftgründe zur Raison zu bringenden Orgon endlich die Augen zu öffnen. Als sie an dem sie bedrängenden, nur mit Morgenmantel bekleideten Tartuffe hängt, wird der Heuchler enttarnt.

Aber zu spät. Denn in seiner Verblendung hat Orgon ihm vorher schon sein Haus überschrieben. Der Gerichtsvollzieher (Klaus Pohl) macht es sich im Haus gemütlich, um das scheinbar Unabwendbare zu überwachen. Der Gobelin mit dem Familienstammbaum ist schon eingerollt, da betritt die Staatsmacht die Bühne, die dem Betrüger schon länger auf den Fersen ist, und es kommt zum komödienkonformen Umschwung mit glücklichem Ende.

Auch wenn Luc Bondy mit dieser Inszenierung letztlich enttäuscht, so hat er doch eines geschafft: Er wird dem Wiener Publikum noch längere Zeit erhalten bleiben. Der "Tartuffe“ wird im Spielplan des Burgtheaters für ein volles Haus sorgen. Den Stars sei Dank.

Tartuffe

Akademietheater

8., 10., 12., 14., 16., 18., 21. Juni

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