Der Psychiater hatte mir schon einige Fragen gestellt, um die Diagnose der endogenen Depression zu festigen. Er erkannte in gleichem Maße die Ursache in den harten Kriegs Jahren wie in der beruflichen Unrast der Gegenwart. Nun kam noch eine Frage: „Haben Sie Schuldgefühle?“Ich stutzte, denn ich hielt mich für einen Menschen mit den üblichen Fehlern, aber Schuld im Sinne der bürgerlichen Moral oder gar des bürgerlichen Gesetzbuches lag einfach nicht vor. So erwiderte ich den festen Blick, von dem die Frage begleitet war: „Im allgemeinen: nein! Dennoch quält mich etwas, das ein
Die sozusagen klassischen Methoden, ein Publikum vom Besuch von Vorstellungen abzuhalten und es wenn möglich ganz aus dem Theater zu vertreiben, haben eigentlich im Laufe der Jahrtausende alle versagt, wenn man sich auch immer wieder darin versucht hat. Man hat es zuerst einmal mit der Grausamkeit probiert, die gerade wieder einmal so im Schwange ist, mit abschreckenden Greueln, denken wir hier nur an einige alte Griechenstücke, an die Blendung des ödipus etwa, oder an die gar schröcklichen Schlachtenszenen und an das breit ausgewalzte Kampfgetümmel des elisabethanischen Theaters, an diese Höhepunkte auch in den Stücken Shakespeares zu seiner Zeit — und zugleich Gustostückerl für das Publikum, mit denen englische Wandertruppen auf dem ganzen Kontinent herumgezogen sind und riesigen Erfolg hatten (man muß sich das etwa in der Art der Pradler Ritterspiele denken) — aber, wie die Theatergeschichte uns belehrt, die Grusialitäten wurden immer beliebter, lockten das Publikum erst recht ins Theater. Wenn es heute dennoch manchmal gelingt, mit angeblicher Grausamkeit zu schocken, dann stellt man es meist so an, daß es unappetitlich wirkt, wie gewisse Happeningleute es mit Tierkadavern, mit obszöner Nacktheit, Fäkalismus, mit viel Farbe und viel Gekröse, mit enormer Schmierage also, zuwege gebracht haben. Dennoch, wo diese Theatraliker ihre Spielchen machen, kommen einigermaßen normale Theaterbesucher ja gar nicht hin, denn sie spielen ja auch nicht — zumindest noch nicht! — in Theatern, sondern in Kellern und Hörsälen. Doch hier ist die Rede vom Theater und seinem Besucher, der für diesen Besuch eine Eintrittskarte bezahlt hat, weil er ein Stück zu sehen wünscht.