Bedürftig der Versöhnung

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Da kann man schon leicht die Orientierung verlieren bei den Äußerungen zu den Mohammed-Karikaturen: vom Postulat eines "Rechts auf Kränkung" in einem Leserbrief im Standard am Wochenende bis zu immer öfter zu hörenden Rufen nach "Versöhnung".

Stellt sich die Frage: Wer mit wem? Die Antworten zeigen, dass da wohl was mit den Maßstäben nicht stimmen kann. Die rassistischen Redakteure einer Lokalzeitung mit den aufgehetzten Massen in der islamischen Welt vielleicht? Oder stellvertretend: die in Graz lebenden Muslime mit den Einheimischen? Oder auf der Metaebene: die westlichen, östlichen und eingeborenen kapitalistischen Ausbeuter mit den entrechteten Menschen in den islamischen Staaten, mit den Immigranten in Europa, mit den Armen der Welt überhaupt? Die Großzügigen mit den Verbohrten, die Evolutionisten mit den Kreationisten? Das hieße ja für die Kränker: um Verzeihung bitten und wieder gut machen. Und der Gekränkte könnte dann die Kränkung ungeschehen machen.

Ich hätte da noch eine andere Frage: Ich kann einfach nicht verstehen, dass Spott über Gott, seinen Sohn, seine Propheten und ihre Botschaften als Merkmal von Liberalität und Aufgeklärtheit verstanden werden muss (Gottes Heilsbotschaft als "Ärgernis und Torheit"?) und dass das Gekränktsein darüber das Maß für die Toleranz sein soll, welche die Spötter und andere liberale Menschen ja besonders für sich in Anspruch nehmen.

Und dann hab ich auch noch ein Glaubensproblem: Ich würde es nicht wagen, mir anzumaßen, für den allmächtigen Gott Genugtuung zu fordern, für jenen Gott, der sich die Rache allein vorbehalten hat, und vor dem ich selbst als kränkender Sünder stehe, bedürftig seiner Gnade und Versöhnung.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Direktor der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz.

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