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Der Neid als Theorie

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Kenreawcg3 eine pupuidiwiüicuschaftliche oder gar eine pamphletische Darstellung, die sich etwa mit Unrecht als eine gesellschaftswissenschaftliche Abhandlung auszuweisen sucht, sondern eine ernste soziologische Untersuchung. Der Autor ist kein Geringerer als der international bekannte, aus Österreich stammende Ordinarius für Soziologie an der Universität Mainz, Helmut Schoeck. Was der Verfasser in dem vorliegenden Buch unternimmt, ist der stets im Bereich strenger soziologischer Beweisführung bleibende Versuch, die Konstitution sozialer Prozesse bis zum Ganzen dessen, was wir Gesellschaft nennen, (auch) vom Phänomen des Neides her zu untersuchen. Damit soll nicht der Beweis geführt werden, daß lediglich der Neid das Soziale zu begründen vermag, sondern daß eine Inte-grationskomponente, deren Bedeutung nicht stets ausreichend gewürdigt wurde, im Sinn einer hervorhebenden Abstraktion untersucht und zum Verständnis des Entstehens von sozialen Gebilden und von Gesellschaft ein Beitrag geliefert werden sollte. Die Beweisführung des Autors ist umfangreich und bezieht u. a. sowohl den Schadenzauber, die

Neid-Determinanten der Eigentums-Kontroversen als auch die vom Neid lerrührenden Antriebskräfte sozialer Revolutionen ein. Ebenso wie der soziale Konflikt Menschen (Angehörige einer Eigengruppe) gegen eine Fremdgruppe (negative Bezugs-ruppe) bindet, vermag also das Ne-?ativum menschlichen Neides soziale Prozesse auszulösen und Gruppen sis Klassen zu begründen. Anderseits scheint dem Autor das Befassen mit seinem Thema zu einer negativen, wenn nicht monokausalen Interpretation der Ergebnisse seiner Analysen veranlaßt zu haben, wozu loch kommt, daß viele menschliche Fehlbaltungen dem Neid zugerech-let wurden, die etwa dem Bereich ies Interesses zuzuordnen sind. Die ratsache, daß der Neid ein soziales Wechselspiel veranlaßt, soll keineswegs geleugnet werden; lediglich die rom Autor dem Neid gleichsam zugemutete vorrangige sozialkonstitu-;ive Bedeutung scheint ihm nach Ansicht des Referenten kaum anzu-asten zu sein. Diese Hinweise sol-en keinesweg ein Versuch sein, die nteressanten Darstellungen des Bu-:hes herabzusetzen. Widerspruch nuß man nur gegen die vom Autor »ezogenen Schlüsse anmelden. Dagegen verdienen die ethnographischen („institutionalisierter Neid“) und sozialpsychologischen Kapitel („Die Neidschranke bei sozialem Aufstieg in ethnisch geschichteten Gesellschaften“) hohes Interesse etwa für die Ermittlung reiner Verhaltensstrukturen. Gleiches gilt für die Bezüge zur Tiersoziologie („Hackordnung“). Besondere Bedeutung kommt dem Neid in der „Soziologie des Konfliktes“ zu, für die bereits ein umfangreiches literarisches Werk vorliegt, sowie in der Kriminalsoziologie („Das Verbrechen aus Neid“). Der Verfasser1 unterläßt es auch nicht, in Grenzgebieten die Soziologie des Neides zu untersuchen („Neid als Thema der Philosophie“

sowie „Politik als Neidbeschwichtigung“). Gerade im Rahmen der politischen Wissenschaften sollte dem Neid als Anlaß zur Bildung politischer Gruppen, aber auch vieler sich „staatspolitisch“ gebender Handlungen eine verstärkte Aufmerksamkeit zuteil werden.

Da der Neid zur Natur der sozialen Prozesse gehört (eine „neidlose“ Gesellschaft ist eine Utopie) und in einzelnen Situationen der Gebildeentstehung förderlich ist, stellt eine Sozilogie des Neides, wie immer man über dessen Rang für die Bildung von Gesellschaft denken mag, einen wertvollen Beitrag zu einer allgemeinen Soziologie dar.

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