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Digital In Arbeit

Kinder machen „halbe-halbe”

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Männer wollen sie noch nicht, Frauen möchten sie nicht mehr machen: die Hausarbeit. Deshalb sollen nun schon die Kinder lernen, die Arbeit im Haushalt gerecht aufzuteilen.

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Männer wollen sie noch nicht, Frauen möchten sie nicht mehr machen: die Hausarbeit. Deshalb sollen nun schon die Kinder lernen, die Arbeit im Haushalt gerecht aufzuteilen.

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Fabian geht seit September in den Kindergarten. Vor kurzem hörte er gemeinsam mit seinen Freunden die Geschichte vom dummen August. Ein Clown, der im Zirkus arbeitet, während seine Frau den ganzen Tag wäscht, bügelt, kocht und putzt. Jede Nacht träumt die dumme Äugu-stine davon, einmal wie ihr Mann in der Manege zu stehen. Doch erst böse Zahnschmerzen lassen den Clown erkennen, daß auch seine Frau das Publikum begeistern kann. So meint er zum Schluß in der Geschichte von Ot-fried Preußler: „Von jetzt an wollen wir unsere Arbeit gemeinsam tun'. Ich helfe dir in der Küche und bei den Kindern - und du trittst mit mir zusammen im Zirkus auf.”

„Mein Papa tut immer nur Zeitung lesen und jagen, der Mama hilft er nie”, meint Fabian, nachdem er die Geschichte gehört hat. Als der Vater den Kleinen vom Kindergarten abholt, erzählt ihm dieser natürlich gleich vom dummen August und der dummen Augustine.

Nicht ohne Wirkung. Fabians Mutter kommt am nächsten Tag in den Kindergarten. Von zu Hause berichtet sie: „Gestern ist mein Mann heimgekommen und hat gleich begonnen, die Betten zu überziehen.” Sie fragt, was denn gestern im Kindergarten passiert sei. Die Kindergärtnerin gibt ihr das Bilderbuch und bald scharen sich in der kleinen Garderobe viele Mütter neugierig um die Clowngeschichte.

Ein Märchen? Nein. In diesem Fall hat die Kindergärtnerin mit ihrer Arbeit nicht nur zukünftige Väter erreicht, sondern auch die heutige Elterngeneration. Nicht immer ist Erziehung zur Gleichberechtigung im Kindergarten so erfolgreich. Trotzdem hat sie große Bedeutung.

„Wenn wir uns auf die Natur verlassen, entstehen immer die alten Rollen”, weiß Brigitta Rollett, Universitätsprofessorin für Entwicklungs-psychologie in Wien. Bereits mit ungefähr drei Jahren entwickeln die

Kinder ihre Geschlechtsrolle. Im Kindergartenalter gilt es dann, diese Rollen zu festigen. Fabian und seine Freunde wägen also ab, welche Vor-und Nachteile Buben und Mädchen in der Gruppe haben. So bemerken sie: der Schwächere wird geschützt, der Stärkere kann wiederum seine Wünsche leichter durchsetzen.

Rollett nennt dazu eine Studie des deutschen Entwicklungspsychologen Horst Nikel: „Die Ergebnisse haben gezeigt, daß viele Mädchen gelernt haben, den körperlich stärkeren Buben zu folgen. Die würden also im Kindergarten den Ton angeben.” Doch hier sei es nun wichtig einzugreifen: „Nur durch Erziehung kann man eine faire demokratische Gesellschaft erreichen”, hebt die Entwicklungspsychologin die Bedeutung der richtigen Eltern- und Kindergartenarbeit hervor. Wenn zum Beispiel zwei Kinder um einen Ball streiten, bekommt ihn meist der Stärkere. Hier hilft es einzuschreiten und ihm zu erklären, daß es doch viel lustiger wäre, zu zweit zu spielen.

Kinder haben diese kulturellen Ideen nicht von Natur aus. Wenn sie alleine mit einem Zug spielen wollen, denken sie nicht daran, daß es auch noch einen Schaffner, einen Bahnhofsvorsteher und einen Fahrgast geben könnte.

„Je kleiner die Kinder sind, desto leichter ist es, Normen durchzusetzen”, erklärt Rollett. Dasselbe gilt für die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann. Auch sie muß von klein auf kennengelernt werden. So hat Fabian im Kindergarten ebenso Kompostdienst wie Sophie. Und die Teller werden nach der Jause von beiden gemeinsam weggeräumt. Für die

Kinder ist das selbstverständlich. Sie spielen ja auch zusammen in der Puppenecke, wo sie ihre Puppenkinder gemeinsam waschen, wickeln und füttern.

Wichtig wäre es jedoch, daß im Kindergarten die Regeln von Beginn an festgelegt und mit dem Elternhaus abgeklärt werden. Denn neben all den gelernten Strukturen suchen Fabian und seine Freunde nach Vorbildern. Sie schauen, was ihre Väter und Mütter zu Hause wirklich tun.

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