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Endlich habe ich verstanden, was ich bin: Ich bin Humankapital, ein Gütervorrat, der zur Produktion dient, ein Produktionsmittel, das Mehrwert schafft, wenn ich arbeite (mehr Wert, als ich selber als bloßer Mensch habe). Ich bin ein Humankapital, das sich gewissermaßen wie eine Einlage auf einem Sparbuch verzinst. Einen Teil der Rendite, die ich abwerfe, erhält die Firma, für die ich arbeite, ein (kleinerer) Teil fließt mir selber zu und kompensiert die Inflation, die an mir nagt, während ich älter werde, damit ich nicht weniger werde und dann nicht mehr genug Zinsen abwerfe. Mein halbes Arbeitsleben lang wuchs ich Humankapital stärker als die Inflation. Ich bemerkte es daran, dass sich mein Einkommen und mein Bauch ständig vergrößerten - und wenn schon nicht an Umfang, so doch zumindest an Gier.

Doch leider habe ich nicht bedacht, dass mein Haben-Gesellschafts-Tresor, in dem ich sicher zu liegen glaubte, dem Zahn der Zeit unterworfen und nun löchrig geworden ist, so dass mich schon Rost und Motten zu zerfressen beginnen. Und ich sehe schon den Tag kommen, an dem ich, weil ich zu wenig geworden bin, keinen Mehrwert mehr schaffen kann, sondern das, was von mir dann noch übrig ist, selber zu verzehren beginne für die Pflege meiner Altenbedürftigkeit.

Es ist höchste Fastenzeit, die Konsequenz aus meiner Selbsterkenntnis zu ziehen und die Währung zu wechseln, heißt: umzukehren vom Haben zum Sein, wie es Erich Fromm formuliert, und dem Rat Dantes zu folgen, den er im "Fegefeuer" seiner Divina Commedia gibt: "Es steht den Alten an, sich um das Heil ihrer unsterblichen Seele zu kümmern."

Es ist Zeit, dass ich mich endlich wertberichtigen lasse in der Bilanz der Habengesellschaft.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Direktor der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz.

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