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Leben ist Bewegung

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Die Klage ist alt. Schon bei den Griechen konnte man sie lesen: Die junge Generation interessiere sich nicht für Traditionen, zeige keinen Bespekt vor dem Alter, verweigere das Wissen um Vergangenheit.

Die Jungen zucken auf solche Vorhalte meist mit den Schultern. Jung sein bedeutet, die Welt neu erfinden zu wollen'. Sie verweisen -oft zurecht - auf die repressive Art, mit der Bespekt und Kenntnis gefordert werden, auf das Starre und Lebensfeindliche alter Gewohnheiten. Dahinter steht der alte Kampf zwischen Traditionalismus und Moderne, zwischen Noch-Nicht und Nicht-Me'hr, die Diskussion um Determiniertheit und Freiheit. Wir erleben uns als gebunden und frei. Die Welt, in der wir leben will gleichzeitig erobert und bewahrt werden. In ihr gilt beides: daß nichts sich wiederholt, aber auch, daß alles schon dagewesen ist.

Die Standpunkte gegeneinander auszuspielen ist so unnötig wie töricht. Beide haben ihre Berechtigung. Die Natur und der Kosmos zeigen, daß das, was wir Status quo nennen, ein Augenblick ist, ein minimaler Beobachtungszeitraum. Leben ist Bewegung. Es läßt sich nicht erhalten ohne ständige Veränderung. AA'as starr wird ist auch schon tot. AA'er Abänderung nicht zuläßt, verspielt seine Zukunft. Das gilt für den einzelnen ebenso wie für Gesellschaften und Kulturräume. Aber ebenso läßt sich sagen, daß das Neue ohne das darunter liegende Alte erst gar nicht existierte. Es bleibt permanenter Hintergrund jeder Bewegung. Darum gilt ä$l, daß, wer von der Aergan-genheit nichts weiß, das Heute nicht mehr verstehen und nicht mehr für die Zukunft planen kann.

In diesem Spannungsfeld und dem von Determinismus und Freiheit stehen wir vor den immer gleichen, alten Problemen: Menschen wollen leben, sie selbst werden und nicht das bloße Double anderer. Am Ende steht in jedem Fall der Tod. Nur: Teilhard de Chardins Punkt Omega bezeichnet den determinierten Endpunkt, auf den alles Lebendige zugeht, der Weg dorthin ist nicht vorbestimmt. Das bedeutet, für die alten Probleme immer neue Lösungen finden zu müssen, die veralten und sterblich sind wie die Menschen, die sie erfinden.

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