Abenteuer abseits des Ameisenhaufens

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Eine Ameise wacht im großen Schlafsaal des Ameisenhaufens auf, lange nach dem letzten Glockenton von "Guten Morgen, liebe Arbeit" - und ist allein. Zum ersten Mal im Leben hat sie verschlafen. Panisch springt sie aus dem Bett, rennt durch alle Räume, blindlings, raus, prallt geradewegs gegen einen Bären und fällt in Ohnmacht. "Ja, verflixt und ach, wie spät! Ach du Hasendreck! Das gibt's doch nicht! Ja, verflixter Brombeerbrummbär! Brauchst du vielleicht eine Brille??? He! Ameise!" Der Bär ärgert sich furchtbar über die Ameise. Was für eine Frechheit, rennt ihn fast um und entschuldigt sich nicht mal. Und was jetzt? Einfach liegen lassen? Geht dann doch nicht. Also trägt er sie nach Hause, packt sie in ein Bett, setzt sich - in einiger Distanz - dazu und denkt vor sich hin: Ist ihm diese Ameise schon einmal begegnet? Würde er das merken? Was weiß er eigentlich über Ameisen? Die hier jedenfalls murmelt im Schlaf, entschuldigt sich, ächzt was von 6 Tagen im Keller

Gegensätzliche Persönlichkeiten

"Die Ameise und der Bär" ist die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Tieren, die sich nicht nur in ihrer Größe unterscheiden: Der Bär ist selbstbewusst, ruppig, zumindest im Äußeren und im Ton, ein Einzel-und Müßiggänger. Die Ameise ist leise, ängstlich, ein Arbeitstier, das sich nur mit allen anderen Ameisen zusammen denken kann. Dass hier zwei gegensätzliche Persönlichkeiten zueinander finden, macht der für ein Bilderbuchformat umfangreiche Text auch in der Sprache der Figuren klar. Ramona Bădescu findet -in der gelungenen Übersetzung von Tobias Scheffel - für beide Tiere einen Ton, der jeweils ihrem Aussehen und Charakter entspricht. Amélie Jackowski inszeniert das ungewöhnliche kleine Drama in den Bildern mit Kreide, Buntstiften und Wasserfarben in Braunund Rottönen, eher dunkel, aber sehr warm. Sie entwickelt einen schönen Rhythmus im Wechsel zwischen ganz- bzw. doppelseitigen Bildern und kleinen Szenen, lässt den Figuren in den nur angedeuteten Landschaften und Interieurs viel Raum. Immer stehen Ameise und Bär im Mittelpunkt, ihr Innenleben, ihre sich entwickelnde Beziehung. Am Ende sind sie einander näher gekommen, aber die Fremdheit zwischen ihnen ist nicht aufgehoben - eher ausgesetzt: Die Ameise ist krank gemeldet in ihrem Haufen und daher beruhigt, davon abgesehen gibt es einiges zu tun im Haushalt des Bären. Der wiederum kann sich eingestehen, dass er sich eigentlich freut über ein paar Tage in unerwarteter Gesellschaft.

Die Ameise und der Bär Von Ramona Bădescu und Amélie Jackowski Aus dem Französischen von Tobias Scheffel Beltz & Gelberg 2018 geb., 54 Seiten, € 15,40

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