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Franz Xaver Kroetz staunte selbst, welche Aktualität sein zwanzig Jahre altes Stück "Nicht Fisch nicht Fleisch" noch immer birgt. Aber Ruth Drexel erkennt die Wirklichkeit, kennt ihren Kroetz und bringt beides zur richtigen Zeit zusammen. Als Schauspielerin hatte sie Anfang der siebziger Jahre an den Münchner Kammerspielen Kroetz zum Durchbruch verholfen. Als sie nun, nach Beendigung ihrer Intendanz am Münchner Volkstheater, im Sommer zu den Volksschauspielen nach Telfs ins Tiroler Oberland zog, inszenierte sie mit "Nicht Fisch nicht Fleisch" das erste Kroetz-Stück des Festivals. Die Produktion läuft ausverkauft von der Premiere an.

Die Szenen zweier Ehen haben hohen Wiedererkennungswert. Hermann und Edgar sind bei der beruflichen Umschulung, der Gewerkschafter im Aufbruch, Edgar an den Veränderungen, und, als er kündigt, auch am Leben zerbrechend. Helga und Emmis Gespräche kreisen um Haushalt und Orgasmus, Helga im Kinderglück, Emmi leidenschaftlich berufstätig. In scheinbarer Normalität dreht sich das Stück weiter, aber die Welt gerät aus den Fugen, das Normale wird abnorm. Leise, aber stetig steigert Drexel Dichte und Härte der Inszenierung. Einzig Emmis Emanzipationswut dämpft sie, weil sich die Problematik abgeschliffen hat. Die Dialoge greifen, das Publikum reagiert stark. Wieder hat die Wirklichkeit das Theater eingeholt: Die Härte des Jobverlustes trifft nicht mehr nur den Klassenkämpfer, sondern jetzt auch "die da oben", Manager und Unternehmer. In einer apokalyptischen Schlussszene werfen sich die Männer ins Wasser: der Gewerkschafter schreiend vor Schmerz, weil ihn die Kollegen aufgepumpt haben, Edgar am Ende. Die Frauen ziehen sie an Land.

Sie konturieren diese Modellinszenierung: Krista Posch als starke, liebe Emmi, Judith Keller (Helga), ein bis zum grandiosen Zusammenbruch hingebungsvoll Phrasen dreschendes Weibchen, ein sehr differenzierter Lorenz Gutmann als verzweifelnder Träumer und Klaus Rohrmoser als in stillen Blicken und Gesten scheiternder Hermann.

Die Tiroler Volksschauspiele in Telfs gehen am Wochenende mit einer Lesung Christine Ostermayers und Lida Winiewicz' stillem Frauenstück "Späte Gegend", gespielt von Ostermayer und Drexel, zu Ende. Ursula Strohal

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