Abschied vom Theatergeher

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Was mache ich eigentlich hier? Das fragte ich mich, als ich dem Theaterabend "The Dinner Club“ der schwedischen Gruppe "Poste Restante“ beiwohnte. Selten kam ich mir derart deplaciert vor wie in der Villa Karin in Salzburg, wo früher die türkische Botschaft untergebracht war. Jetzt fand hier eine Performance statt, in der ich selbst zum Akteur wurde. Ach, wenn es nur so gewesen wäre. Ich war nicht Akteur, es wurde über mich verfügt, eine eigene Meinung, eine eigene Haltung gab ich ab, als ich das Haus betrat. Ein merkwürdig steifes Personal empfing die Besucher, die in Gruppen eingeteilt wurden, um im kleinen, intimen Rahmen Unterricht erteilt zu bekommen, auf dass unsere Manieren beim anschließenden dreigängigen Menü nichts zu wünschen übrig ließen. Widerspruchslos spielten wir alle mit, wurden zu nützlichen Idioten einer hyperkonservativen Revolution, übten uns in Rollenbilder ein, die wir längst auf dem Müllhaufen der Geschichte wähnten. Während wir Männer den Unterweisungen im rechten Umgang mit Wein lauschten, zogen sich die Damen im Nebenraum Schürzen über, um Schinken-Käse-Häppchen herzurichten und diese anschließend zu servieren. Schaute man sich im Raum ein bisschen um, stieß man auf dezent Schweinisches. Auf der Fensterbank lag ein Stapel Spielkarten mit nackten Frauen im Stil der Fünfzigerjahre als Motiv. Keiner kippte diese durch und durch reaktionäre Veranstaltung.

Verführbar durch Autoritäten

Was lernen wir daraus? Wir sind verführbar durch Autoritäten, wenn sie nicht roh und ungeschlacht auftreten, sondern uns liebenswürdig empfangen.

Seit zehn Jahren besteht das Young Directors Project im Rahmen der Salzburger Festspiele schon, wo junges, unberechenbares Theater eine Chance bekommt. Diesmal durfte man sich nur bei der Truppe "The TEAM“ im Saal zurücklehnen und einem Abriss amerikanischer Geschichte folgen. Das Grundmotiv gaben die Antagonismen Zerstörung und Aufbau ab, die treibenden Kräfte von Geschichte. Das ergab ein schmissiges Rocktheater mit viel Schwung und Gefühl, eine erfrischend aufmüpfige Geschichtsstunde gegen die offizielle Lesart.

Sonst aber stand immer das Ich des Besuchers zur Disposition. Die belgische Gruppe "Ontroerend Goed“ nahm sich überhaupt jedes Gastes einzeln an. Der bekam es mit wechselnden Gesprächspartnern zu tun, die ihm Informationen über sein Ich und ein imaginäres Porträt eines wildfremden Besuchers entlockten. Am Ende bekam man eine CD, auf der zu hören ist, wie man von jemand anderem Wildfremden eingeschätzt wird.

Das Kollektiv "Signa“ nimmt den Artaud’schen Begriff vom "Theater der Grausamkeit“ übermäßig ernst, während das Londoner Duo Lundahl & Seitl das Museum der Moderne zum Experimentierfeld umfunktioniert. Junges Theater heute: eine Form des Aktionismus.

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