Alles geht dem Ende zu

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Becketts "Glückliche Tage" am Wiener Akademietheater

Ein Moment des Erbarmens beschließt Samuel Becketts "Glückliche Tage" im Wiener Akademietheater. Willie kommt auf Winnies Seite. Kriechend schleppt er sich zum Erdhügel in dem sie bereits bis zum Hals versunken ist, keucht ein letztes Mal ihren Namen, bevor er in sich zusammensinkt. Und in diesem ein Wort liegt alles, worauf sie gehofft hat: Liebe. Nur leise schwingt noch der Zweifel mit, Willie könnte es eigentlich auf die Pistole abgesehen haben, die immer noch neben ihr liegt. Edith Clevers Inszenierung spart, wie auch bereits Luc Bondys unvergessliche "Warten auf Godot"-Inszenierung vor drei Jahren, jede Ironie, jegliche Effekthascherei oder Bedeutungsschwere aus. Beckett wird wieder neu entdeckt und neu gelesen. Seine Stücke brauchen keinen Aufputz. So wie sie sind, sind sie gut. Die eine Wahrheit ist ihnen fremd, jede Ausdeutung überflüssig. Der Betrachter muss ohne Antworten auskommen oder eine eigene finden. Heute vielleicht Hoffnungslosigkeit, morgen Hoffnung.

Auch Edith Clever inszenierte genau nach den Anweisungen des Autors, doch das mit großer Sensibilität. Jutta Lampe ist ihre Winnie: eine Schauspielerin, die mit der Textpartitur dieses (Fast-)Monologs so nuancenreich spielt, als wäre jede Silbe eine Note. Filigran und zerbrechlich ragt Winnies Körper aus der Erde, unausweichlich untergehend. Sie rettet ihre Tage mit Alltäglichem und richtet ihre Sehnsucht an den Mann (Urs Hefti), den sie aus den Augen, doch nicht ganz verloren hat. Alles geht dem Ende zu: das Augenlicht, der Lippenstift, das Leben. So beängstigend, so banal, so einfach und in seiner Tragik auch komisch.

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