Alpenrebellen und Profijäger

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Das Tiroler Landesmuseum zeigt Wilderer in allen Facetten.

Kaum ein Phänomen ist in unseren Breiten so tief im Volk verankert wie das Idol des kühnen Wildschützen. Obwohl dieser zur Zeit des "Sachsenspiegels" um 1350 das "gottgegebene Grundrecht zur freien Jagdausübung" angeblich voll nutzen durfte, kannte die Hohe Obrigkeit bei "Jagdfrevel und Wilddiebereien" letztlich kein Pardon. Aber der Wilderer, den "Schneid", Freiheitslust, Jagd- und Trophäensucht, aber oft auch Armut und Hunger zum Wilddiebstahl trieb, berief sich auf ein altes anarchisches Recht und nahm sich sein Teil: "Alles, was im Wald isch, g'hört mein." Vom Volk wurde der Jagdrebell hoch verehrt, bis ihn schließlich das böse Schicksal aus dem Gewehr des Häschers ereilte und er - wie weiland der viel besungene stolze "Wildschütz Jennerwein" - im schönsten Wildereralter "von dieser Erden weggeputzt wurde".

Alte Wilderer-Romantik …

Nun haben sich Direktor Wolfgang Meighörner und Gerhard Tarmann mit ihrer Ausstellung "Wilderer" im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum erfolgreich ins dichteste Dickicht des zum Hochwald umfunktionierten Tiroler Kunstgemäuers gewagt. Sie spüren die Fährten von Jägern und Wilderern auf, und die Gäste folgen jagdlüstig der Faszination des unsterblichen Mythos. Plötzlich gellen Schüsse durchs Unterholz - rasch hinauf auf den Hochstand!

Noch ist (leider) kein rußgeschwärzter Alpenrebell mit angeschlagenem Stutzen auszumachen. Doch dafür bietet sich die schier atemberaubende Sicht auf eine zweistöckige Waldarena, bestückt mit allerlei Getier, mit Gemälden, Fotos, Filmen, Originaldokumenten, skurrilsten Wildererwaffen aus Zoll- und Polizeidepots u. a.

Der Gesang des "Freischütz" von Carl Maria von Weber begleitet uns, jagdbare und nicht jagdbare Beute der Wilderei (Präparate: Peter Morass) locken den Museumsjäger weiter hinein in den Wald. Da kommt sogar ein Streichelbär daher, Wildvögel ziehen ihre Kreise - jede Menge Feldstecher liegen bereit.

Und das Allerbeste: Die Schau (400-500 Exponate aus Tiroler Beständen wie auch von renommierten Leihgebern von nah und fern) ist nicht wissenschaftlich trocken angelegt, sondern üppig in vielen Facetten leuchtend, unterhaltend und von hohem kulturhistorischem Interesse.

Gar vieles um die Wilderer von damals und heute findet sich im Ferdinandeum dokumentiert, wie zum Beispiel auch die arg gräuliche Historie vom "Bayerischen Hiasl", einem legendären Wildschützen und Räuberhauptmann, der 1771 hingerichtet und danach gevierteilt wurde. Von Glück konnte noch jener Fehltreter sprechen, dem zur Strafe nur die eiserne "Schandmaske" übergestülpt wurde.

Übrigens, die Grabstätten vieler Wilderer - auch die des heiß umfehdeten Osttirolers Pius Walder, der 1982 von einem Jäger hinterrücks erschossen wurde - sind zu "Wallfahrtsstätten" einer getreuen "Wilderer-Fangemeinde" geworden. Die Empörung von Walders Brüdern artete damals zu Racheschwüren an seinem Grabe aus, zu Watschen für den Pfarrer und sogar zu einer Mordanklage. Noch heute können Touristen in Innervillgraten Postkarten mit dem Konterfei des tragischen Helden der Wilderei erstehen.

Vom Jagdfieber gepackt war auch eine Wildschützin namens "Floitenschlagstaude", ein "armes Weiberleit" aus dem hintersten Zillertal, das zehn Kindermäuler zu stopfen hatte. Die Hütte der hageren "Staude" lag so hoch droben am Floitenschlag, dass sie angeblich vom Küchenfenster aus den Gamsbock per Flinte direkt in ihren Kochtopf transportieren konnte.

… und die Profis von heute

Ganz andere Bilder sind es, die - im Gegensatz zur alten Wilderer-Romantik - in der Innsbrucker Schau den "Jagdinstinkt" unserer Zeit anklagen. Erschütternde Fotos und Filme bezeugen unendliches Tierleid: In Afrika sind professionelle Tiermörder am Werk, die blutige Elefanten- und Nashornmassaker veranstalten, um das pulverisierte Horn an die meistbietenden Potenzschwächler zu verhökern.

Das rasante Tempo der "Autowilderer" lässt dem heimischen Wildwechsel wenig Chance. Sadisten stellen grausame Fallen auf, in denen Tiere elendiglich verenden; in exotischen Ländern werden Vögel mit Methoden gefangen, die unsere einstigen "Höttinger Vogelfocher" wie harmlose Waisenknaben erscheinen lassen. Ganze Tierarten sind in Gefahr, durch diese "wildernden Grenzüberschreitungen" ausgerottet zu werden.

Nach solchen Eindrücken könnte der geschockte Museumsjäger durchaus ein kräftiges Schnapserl vertragen, sieht sich aber noch rechtzeitig vor der Tiroler "Touristenwilderei" gewarnt, die mit der "Jagd auf die Schihaserln" in einer urigen "Wildererhütte" die "Highsnowciety" anlockt.

Trost und Hoffnung kann der Arme glücklicherweise bei Betrachtung der ausgestellten Gemälde aus dem 19. Jahrhundert - "Die Flucht des Wilderers" (August Dieffenbacher), "Der Wildschütz" (Georg Wachter) - und vieler zeitgenössischer Werke in der Innsbrucker Schau schöpfen, sodass der Jäger letztlich nicht selbst zum Gejagten wird, wie es uns Steve Payne mit seinem "The hunter becomes the hunted" ernsthaft befürchten lässt.

Wilderer

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 6020 Innsbruck, Museumstr. 15

Bis 11. 1. 2009 Di-So 9-18 Uhr

www.tiroler-landesmuseum.at

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