Angst vor den Koran-Verteilern

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Seit Tagen erregt sich vor allem die deutsche Öffentlichkeit über die Gratisverteilung von Koranübersetzungen. Auch hierzulande sollen die Initiatoren der Aktion, die als dem salafistischen Dunstkreis zugehörig identifiziert werden, längst tätig sein. Zunächst einmal, das ist nüchtern festzustellen, handelt es sich dabei um einen PR-Coup der Sonderklasse: Ganz egal, ob die Zahl 25 Millionen der zu verteilenden Koranexemplare stimmt oder nicht - die Mannen rund um den palästinensisch-stämmigen Kölner Ibrahim Abou Nagie beschäftigen die Gazetten und sonstige Medien des deutschen Sprachraums. Allein das Verteilen des Korans verbreitet also Angst, der Verfassungsschutz wird bemüht - auch hierzulande.

Um intellektuelle Redlichkeit

Man möchte die Kirche einmal im Dorf lassen: Denn der Islam gilt als Weltreligion, der Koran ist seine Heilige Schrift. Was spricht dagegen, wenn seine Anhänger selbige auch unter die Leute bringen? Würden Christen Bibeln verteilen, hätte doch auch niemand etwas dagegen - oder?

Längst wird der Koran jedoch als gewalttätiges Buch wahrgenommen. Zumindest finden sich darin genug Passagenmit Mord und Totschlag. Oder? Allerdings könnte ein unbedarfter Leser auch beim eiligen Hineinlesen in die Bibel genug finden, was heutigen zivilisatorischen Standards zuwiderzulaufen scheint. Die heiligen Texte der Religionen stammen aber meist aus anderen Epochen und aus mit heute unvergleichbaren sozialen Zuständen.

Sowohl was die Sprache als auch was die Inhalte betrifft, bringt es daher nichts, diese Schriften ohne Vorwissen zu lesen. Das gehört zum Einmaleins intellektueller Redlichkeit. Man könnte sich sonst Bibel- und/oder Koranzitate gegenseitig an den Hals werfen - und Unfrieden schüren. Leider geschieht das ja längst.

Man darf andererseits auch nicht naiv sein. Denn wenn sich religiöses Eiferertum der heiligen Schriften bemächtigt, dann ist sehr wohl Gefahr im Verzug. Gegen die fundementalistische Versuchung ist Widerstand zu leisten.

Im konkreten Fall geht es um Wachsamkeit gegenüber jenen, die den Koran buchstäblich nehmen. Hier kann großes Unheil angerichtet werden. Der islamistische Terrorismus ist eine Tatsache, keine Frage. Auch dass die beschriebenen Koranverteiler eine politische Agenda verfolgen, scheint unbestritten. Und dass sie die westliche Gesellschaft im Visier haben ebenfalls. Das soll nicht klein geredet werden.

Ein Plädoyer für Gelassenheit

Dennoch darf man um Gelassenheit werben. Wenn es die "Salafisten“ schaffen, mit der Verteilung von Koranausgaben die europäische Gesellschaft ins Wanken zu bringen, dann wäre diese längst verloren. Mag ja sein, dass die Christen hierzulande unter Legitimationsdruck stehen. Aber von der Bedeutung und Relevanz ihrer Botschaft sowie deren Friedfertigkeit sollten auch kritische Gläubige felsenfest überzeugt sein. Eine offene, gesunde Gesellschaft wird - und muss! - auch das massenhafte Verteilen von Koranexemplaren aushalten. Das ist das eine.

Das andere, das gleichzeitig zu unternehmen wäre, ist die Stärkung von Stimmen im Islam, die aus ihrer religiösen Überzeugung heraus Frieden und Toleranz propagieren. Es gibt diese Stimmen, auch wenn sie im Lärm der vermeintlich sicheren Buchstabengläubigen mitunter leicht zu überhören sind. Aber um einer offenen Gesellschaft willen geht es darum, auch im Islam solchen Stimmen den Rücken zu stärken oder diese überhaupt erst zu Gehör zu bringen (vgl. dazu Ali Asghar Engineer, Seite 9 dieser FURCHE).

Das mag nicht immer einfach und mehr als fordernd sein. Wer aber an eine friedliche Zukunft der Gesellschaft glaubt, wird mithelfen müssen, den Besonnenen und den Aufgeklärten gerade aus dem Islam Raum und Atemluft zu verschaffen.

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