Aschenputtel und der Reiz des Flüchtigen

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Das Kunsthaus Bregenz widmet dem jungen vietnamesisch-dänischen Künstler Danh Vo eine bemerkenswerte Ausstellung. Interessant sind auch seine diversen Bezüge zum Katholischen.

In Bregenz hat sich der Künstler die drei Stockwerke des Hauses so vorgenommen, dass die Schau insgesamt zu einer Art Gesamtkunstwerk, zu einer riesigen Installation aus einem Medien-Mix wird. Da sind Schwarz-Weiß-Fotos im ersten Stock, die historische Szenen aus Vietnam zeigen, da sind Klapptische im zweiten Stock, die wie in einem Blick ins Atelier zeigen, wie Danh Vo seine Kunst macht, und da sind Verpackungskartons im dritten Stock, die Vo mit seinem Markenzeichen, nämlich Blattgold-Lettern und Fahnen, überzogen hat.

Das Kunsthaus Bregenz ist eine international operierende Institution, und doch scheint das Eigenwillige und Spontane dieses Mal nicht ganz aus der Kunst selbst begründbar. Es beschleicht den Besucher mitunter das Gefühl, dass diese Ausstellung sehr rasch und auch sehr intuitiv gebaut wurde. Das mag auch mit der Arbeitsweise des vietnamesischen Shooting-stars zusammenhängen, der im Gegensatz zu einem Damien Hirst, der einen ganzen Stab von Mitarbeitern beschäftigt, manche Werke, wie etwa die goldenen Inschriften, nur von seinem eigenen Vater produzieren lässt.

Grausames Zurechtrücken

Damit ist auch schon das erste entscheidende Stichwort gefallen, nämlich "Vater“. Danh Vo musste als kleines Kind aus Vietnam fliehen, und der Vater, ein bekennender Katholik, führte die Familie nach Dänemark, wo Vo seine Jugend verbrachte und auch Kunst studierte. Im Gespräch ist es das fernöstliche Lächeln gepaart mit künstlerischem Understatement, das den Künstler sympathisch und nicht un- aber sagen wir außerprofessionell erscheinen lässt. Und doch ist die Schau von vorne bis hinten durchkomponiert und hat einen eigenen Reiz, der gerade im Flüchtigen der Arbeiten zu finden ist. Immer wieder kehrt in der Schau etwa das Märchen von Aschenputtel, vom Vater geschrieben und in Blattgold auf Kartons gedrückt. Vo selbst interessiert sich aber nicht so sehr für das schöne Mädchen, das nichts tuend seinen Prinzen bekommt, sondern für die bösen Schwestern, die sich auch ihre Füße blutig zurechtschneiden, um in den Schuh zu passen. Vo ist überzeugt, dass hartes, ja grausames Zurechtrücken mehr der Realität entspricht, als einfach nur schön zu sein und sich alles in den Schoß fallen zu lassen.

Danh Vo arbeitet jedenfalls sehr viel mit Träumen, wobei er nicht festlegen will, welcher Traum wahrer oder richtiger ist. Ist es der Traum des Vaters von einem eigenen Mercedes, den er in Form des Motorblocks als Readymade im Stile Marcel Duchamps präsentiert? Ist es der Traum vom besseren Leben, das jeder Einwanderer nach New York in sich trägt, der erstmals die Freiheitsstatue sieht? Ist es der Traum von einem Whiskey-Rausch, den Vo in Johnny-Walker-Glasflaschen gleichmäßig auf dem obersten Stockwerk verteilt hat? Oder ist es der Traum von einem himmlischen Jenseits, den jene französischen Missionare im Herzen trugen, die im 19. Jahrhundert in Vietnam massakriert wurden, und deren Inschrift Vo auf einer Marmorplatte verewigt hat? Danh Vo macht ohne Frage große Kunst, auch weil er diese Frage offen lässt. Das mitunter Vorläufige der Klapptische und des über die Treppen gestreuten Blattgolds verzeiht man ihm, auch oder gerade weil hier die Sakralisierungsfalle des Kunsthauses einfach zuschnappt und alles groß macht, wo auch der Zufall, nicht ein ordnender Geist, mitgeholfen hat.

Makabres und Kurioses

Erstaunlich bleibt mit welcher Selbstverständlichkeit Danh Vo seine eigene Katholizität in den Kunstdiskurs einführt. Auch wenn er selbst angibt, nicht religiös zu sein, ist in seinem Pluralismus an Lebenswelten, die er in Szene setzt, das Katholisch-Sein ein möglicher, gültiger Lebensentwurf. Sicher sollte man das Makabre und Kuriose nicht aus den Augen lassen, wie es etwa in den Postkarten zu Tage tritt, die das grausame Martyrium der Missionare im Vietnam des 19. Jahrhundert zeigen. Jene Marmorplatte im ersten Stockwerk, die die Namen der hingerichteten Märtyrer auflistet, und auf der Magnolien ihren verwesenden Geruch verbreiten, ist jedenfalls ohne jede postreligiöse Ironie rezipierbar.

Danh Vo - Vo Danh

Kunsthaus Bregenz

bis 24. Juni, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

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