Asyl wird nicht gewährt

Werbung
Werbung
Werbung

Asylwerber spielen Asylwerber: Ein unheimlich aktuelles Euripides-Stück bei den Wiener Festwochen.

Sie sind auf der Flucht und suchen Asyl, sie sind Menschen wie du und ich, nur haben sie keine sichere Heimat mehr. Sie wirken in einer Theaterproduktion mit, doch ihr Schicksal ist Realität. Die Wiener Festwochen präsentieren heuer ein wirklich zeitloses Drama: "The Children of Herakles" von Euripides - ein Gastspiel der "Produktion RUHRTriennale", packend inszeniert vom amerikanischen Regisseur Peter Sellars.

Der alte, klassizistisch ausgestattete Reichsratssitzungssaal des Parlaments liefert der Aufführung ein grandioses Ambiente. Zunächst wird - moderiert von Barbara van Melle, die später im Stück die Chorpassagen spricht - die aktuelle Flüchtlingsproblematik in Österreich bewusst gemacht. Asylwerber und deren Betreuer, aber auch Vertreter der Behörden kommen zu Wort.

Die Podiumsgäste wechseln, bei der Wiener Premiere stellte sich Innenminister Ernst Strasser der Öffentlichkeit, bei der von der Furche besuchten dritten Vorstellung waren neben zwei Flüchtlingen Kritiker der gegenwärtigen Asylpraxis in Österreich unter sich. Der Hauptvorwurf: Flüchtlinge fühlen sich in Europa, nicht nur in Österreich, gedemütigt und unmenschlich behandelt, Behördenvertreter sind geradezu bemüht darum, dass sich Asylwerber bei uns ja nicht wohlfühlen.

Nach dieser Einführung und einer kurzen Pause entfaltet der fast 2500 Jahre alte Text des Euripides - in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln - starke Wirkung. Die Kinder des Herakles, begleitet von ihrer Großmutter Alkmene und dem gealterten Freund ihres Vaters, Jolaus, sind auf der Flucht. Eurystheus, Herrscher von Mykene und Argos, bedroht sie mit dem Tod und sagt durch seinen Gesandten Kopreus jedem Land den "totalen Krieg" an, das der Gruppe Asyl gewährt. Nur Athen, von Demophon, der Tochter des Theseus regiert, widersetzt sich diesem Druck und riskiert den Konflikt mit dem Aggressor. Da laut Orakel nur der Opfertod einer edlen Jungfrau den Athenern zum Sieg verhelfen kann, lässt sich eine Tochter des Herakles, Makaria (sehr berührend: Zainab Jah), freiwillig als Opferlamm schlachten. Athen gewinnt den Kampf, Eurystheus wird gefangen. Die Spannung bleibt bis zum Schluss, als Alkmene für ihn die Todesstrafe fordert, damit aber auf Widerstand stößt.

Humanität statt Gewalt, Versöhnung statt Hass lautet die eindringlich und stark präsentierte Botschaft von Peter Sellars. Dabei liefert er keine simple Schwarz-Weiß-Zeichnung, sondern macht gerade in der Schlussszene zwischen der im Tschador auftretenden Alkmene (Ruth Maleczech) und dem einem Häftling in Guantanamo gleichenden Eurystheus (Cornel Gabara), deutlich, wie schnell Opfer in ihrem Rachedurst zu Tätern werden können. Auch die Kinder des Herakles, so wird angedeutet, werden sich später nicht als Apostel der Gewaltlosigkeit auszeichnen.

Dass diese stumm agierenden Kinder von echten Asylwerbern aus dem Lager Traiskirchen dargestellt werden, erhöht die Wirkung der Inszenierung, die nur in einzelnen Untertiteln zu den eindrucksvollen Zwischengesängen der Kasachin Ulzhan Baibussynova Ungereimtheiten aufweist. Die professionellen Hauptdarsteller holen in Kostümierung, Gestik und Mimik das Stück in die Moderne: vor allem Jan Triska als fast schon zu theatralischer Jolaus, Karen Kandel als Condoleezza-Rice-artiger Kopreus und Brenda Wehle als gewissenhafte Demophon. Viel Beifall für das Ensemble und einen außergewöhnlichen Theaterabend.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung