Auch wirtschaftlich lebensfähig sein

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Kardinal Schönborn äußert sich zur Diskussion um Kirchenfinanzen und zeigt an einem Pilotprojekt für Wien-Favoriten die Richtung seiner Strukturreform.

Er sei offen für jede Diskussion über neue Modelle der Kirchenfinanzierung. Dies äußerte letzten Montag auch Kardinal Christoph Schönborn zur neu aufgeflammten Debatte um den Kirchenbeitrag. Anfang Jänner hatte der oberösterreichische Agrarlandesrat Max Hiegelsberger (VP) eine "Kultussteuer“ für alle angeregt, unabhängig von der Religionszugehörigkeit.

Hiegelsberger hatte unter anderem mit dem Finanzbedarf bei der Erhaltung religiöser Kulturdenkmäler argumentiert. Der Vorstoß des Landespolitikers orientierte sich vor allem an Italien und Spanien, wo der Staat eine solche Steuer einhebt und der Einzelne angeben kann, für welche Religionsgemeinschaft der Betrag verwendet werden soll.

Staat kassiert mehr, als er zahlt

Nach den Worten Schönborns werde man in Österreich sicherlich nicht das belgische Modell, wo der Staat die Gehälter der Priester übernehme, nahetreten. Aber die Diskussion ist für den Kardinal sinnvoll, denn er ortet - wie er schon oft angemerkt habe - weiterhin Ungerechtigkeit bei der finanziellen Behandlung der Kirchen durch die öffentliche Hand: So sei der Betrag, den die katholische Kirche bei der Renovierung von Kirchengebäuden allein an Mehrwertsteuer an den Staat abführe, weit höher als das, was sie an Zuschüssen dafür bekomme.

Schönborns Antworten auf Journalistenfragen zu den Kirchenfinanzen fanden im Rahmen der Präsentation eines Pilotprojekts zur Strukturreform in der Erzdiözese Wien statt: In Weiterentwicklung der in den letzten Jahren angegangenen Agenda verpasst sich die Erzdiözese Wien den Prozess "Apostel 2.1“: So klar wie selten zuvor erklärte Schönborn dazu, dass die "konstantinische Zeit“ der Kirche mit ihrer Idee der Staatsreligion zu Ende sei. Heute lebe man in einer "Kultur der Freiheit“, in der die Gestalt der Kirche anders aussehen werde als bisher.

Das Pilotprojekt bezieht sich aufs Wiener Stadtdekanat Favoriten, in dem deutliche Strukturreformen angegangen werden sollen. Das kirchliche Umfeld hat sich gerade hier radikal verändert: Von den 177.000 Menschen, die im zehnten Wiener Gemeindebezirk leben, sind nur mehr ein Drittel katholisch, kaum mehr als ein Prozent der Bevölkerung bzw. drei Prozent der Katholiken besuchen den Sonntagsgottesdienst.

Jn dieser Situation können man nicht mit "business as usual“ fortfahren, so die unmissverständliche Botschaft des Kardinals. Dass es im Dekanat Favoriten weiter 15 Pfarren geben wird, steht da zur Disposition, und es gibt Überlegungen, wenig genutzte Sakralräume und Gebäude aufzugeben.

In den nächsten eineinhalb Jahren sollen aus dem Dekanat selber Vorschläge und Modelle zu dieser Strukturreform erarbeitet werden. Seitens der Diözesanleitung gibt der "Projektauftrag“ ambitionierte Ziele nicht zuletzt in den finanziellen Fragen und wirtschaftlichen Belangen vor: Eine Pfarre müsse auch "wirtschaftlich lebensfähig“ sein, heißt es etwa - von daher rührt die Vorgabe, dass sie nicht kleiner als 4000 Katholiken sein dürfe. Fünf Prozent des Pfarrbudgets müssen für neue Aktivitäten und Projekte reserviert werden. "Das "hauptamtliche Seelsorgepersonal“ (Priester und Pastoralassistenten) wird etwa um ein Viertel reduziert. Die Kosten für Pfarrhof und Pfarrheim dürfen maximal 20 Prozent des Budgets ausmachen und für die Instandhaltungungsarbeiten an Sakralbauten gibt es keine diözesanen Zuschüsse mehr.

Eine Radikalkur für Favoriten

Ob und wie diese Vorgaben erfüllt werden können, soll bis Jahresende 2012 geklärt werden, die komplette Neustrukturierung des Dekanates Favoriten mit vermutlichen Pfarrzusammenlegungen und eventuellen Kirchenschließungen soll mit 1. September 2013 in Kraft treten.

Favoriten ist bei dieser kirchlichen Radikalkur erst der Anfang. Ähnlich weit gediehen sind Pläne für den 15. Wiener Gemeindebezirk: Das Dekanat Rudolfsheim-Fünfhaus wird, so Schönborn, das nächste Struktur-Projekt in der Erzdiözese darstellen.

Aus dem Kirchenreformlager gibt es Kritik an diesen Plänen. Wie Hans-Peter Hurka von der Plattform "Wir sind Kirche“ meint, sind die "Management-Vorgaben von oben“ für eine Kirchenreform, die diesen Namen verdiene, zu wenig. Hurka fordert eine stärkere Einbindung der Gläubigen am Ort und will die Kirchenbeiträge "besser ‚bottom up‘ statt ‚top down‘“, also von unten nach oben (und nicht umgekehrt wie jetzt) verteilen.

Kirchenfinanzierung

Kardinal Schönborn ist offen für jede Diskussion über die Kirchenfinanzierung. Allerdings sei der Betrag, den die Kirche bei der Renovierung von Kirchen allein an Mehrwertsteuer abführe, weit höher als das, was sie an Zuschüssen dafür bekomme.

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