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Die Würde der Frau, die Schuld der Apartheid: Steve Jacobs’ Verfilmung von J. M. Coetzees „Schande“ beeindruckt mit John Malkovich in der Hauptrolle.

Südafrika, einige Jahre nach der Abschaffung der Apartheid: In den Städten scheinen die Wunden allmählich zu verheilen, die das System geschlagen hat. David Lurie (John Malkovich) ist Uniprofessor in Kapstadt, und hat in seinem Literaturkurs ganz selbstverständlich weiße ebenso wie schwarze Studenten sitzen. David interpretiert vor ihnen Wordsworth, Byron, die romantischen Poeten, mit großem Einfühlungsvermögen. Bei seiner Affäre mit einer Studentin aber fehlt ihm diese Empathie komplett: Vor lauter Ego merkt er nicht, dass sich die junge schwarze Frau ihm nicht ob seiner Klugheit und Erotik hingibt, sondern schlicht aus Angst.

Eine verhängnisvolle Affäre

Als die Affäre auffliegt, ist der Teufel los: Weißer Professor belästigt schwarze Studentin – im Südafrika der 90er Jahre muss dieses Verbrechen noch streng geahndet werden. David verliert seinen Job und seine Reputation, und zieht zu seiner lesbischen Tochter Lucy (Jessica Haines) auf ihre entlegene Farm. Lucy stellt keine Fragen, doch sie weist ihn an, sich nützlich zu machen in ihrem kleinen Betrieb. Mit einem Blumenstand am Markt und einer Hundezucht kann sie überleben, doch sie hat die Hälfte ihres Landes an ihren schwarzen Nachbarn Petrus (Eriq Ebouaney) überschrieben, der ihr dafür hilft und auf sie aufpasst. Auch wenn David das Arrangement missbilligt, freundet er sich doch nach und nach mit dem Landleben an, hilft in der Tierklinik beim Einschläfern streunender Hunde, schraubt mit Petrus am Haus herum.

Und dann passiert das Entsetzliche: Drei schwarze Jugendliche überfallen die Farm, verprügeln David, vergewaltigen Lucy und rauben alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Unmittelbar darauf taucht einer der drei wieder auf, doch Lucy will ihren Peiniger nicht zur Verantwortung ziehen – was David fassungslos macht.

„Schande“, die Verfilmung von J. M. Coetzees gleichnamigem Roman, zeichnet mit großem Ernst das Porträt eines tief verwundeten Landes: Die Konstellation der Figuren wirkt biblisch, vor allem Lucy ist von fast religiös motivierter Leidensfähigkeit, und doch sind es keine Schablonen, sondern verwirrte, störrische, unsichere Personen, die Regisseur Steve Jacobs agieren lässt. Am Ende kann keine Lösung der Situation stehen, sondern nur ein Akzeptieren der Realitäten: Die Brutalität der Apartheid ist ein Faktum, und sie kann nicht wiedergutgemacht werden. Eine brutale Antwort ist nicht gutzuheißen, aber vielleicht nicht zu vermeiden. Dass es in „Schande“ eine Frau ist, die die Brutalität ertragen muss, tut sehr weh. Aber die hellsichtige Lucy ist es auch, die keine Gerechtigkeit von außen möglich sieht, sondern der schwierigen, aber unvermeidlichen Lage aufrecht entgegengeht und alles aufgibt, um von null neu anzufangen.

„Schande“ ist ein beunruhigender, beeindruckender Film, der einen ratlos, womöglich sogar unglücklich zurücklässt, und eine Literaturverfilmung, die der Vorlage von Nobelpreisträger Coetzee so weit wie möglich entgegenkommt. Ein Ersatz fürs Lesen ist sie nicht.

Schande (Disgrace)

AUS/RSA 2008. Regie: Steve Jacobs. Mit Eriq Ebouaney, Jessica Haines, John Malkovich. Verleih: Filmladen

118 Min.

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