Auf unsicherem Grund in Venedig

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In wenigen Städten ist man sich des Bodens unter den Füßen so bewusst wie in Venedig. Das unebene Pflaster der Gassen, der abgeschliffene Trachyt auf dem Markusplatz, die sandig-knirschenden Kiesel in den Giardini und die schwankenden Bohlen des Vaporetto - ein Schwanken und Schlingern, das minutenlang anzuhalten scheint, wenn man längst den Pier verlassen hat.

Auf unsicherem Grund: Angesichts der Biennale di Venezia 2011 scheint der Fachwelt der Konsens abhanden gekommen zu sein, was gut ist, was gefällt, was man auf den abendlichen Cocktailparties zur Übereinstimmung bringt und was bald darauf in den Feuilletons gepriesen wird. Das ist unüblich. Und irritierend. Der Konsens war immer ein bequemes Argument gegenüber Ungläubigen und Zweiflern: Glaubst du denn, alle haben sich verschworen, die XY zum erstaunlichsten Newcomer dieser Biennale erklären?

Und jetzt ist das Schlamassel da. Und das, so weit sind sich die meisten einig, auf einer ziemlich braven und blutleeren Biennale, die Kunstmarktkunst ebenso repräsentiert wie politische Statements, klingende Namen (Trockel, Polke, Boltanski etc.) neben Frischlingen, die gerade mal eine Kunstvereinsschau absolviert haben.

Streit entzündet sich unter anderem an Schlingensiefs Memorial im deutschen Pavillon (pathetisch oder berührend?) und an der Installation einer jungen Schwedin. Klara Lidén hat im Arsenale einige schäbige Mistkübel an die Wand montiert, jeder aus dem öffentlichen Raum einer anderen Großstadt (Ramsch oder raffinierte Intervention?).

Die Jury der Biennale hat sowohl die Gedenkkapelle für Schlingensief als auch Lidéns Ready-Mades ausgezeichnet. Das bringt andere in Rage. Jedenfalls gut zu spüren, dass der Boden der Gegenwartskunst noch ins Schlingern geraten kann. Gut, wieder Argumente zu schärfen.

Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz

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