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Ich hatte gar nicht gewusst, wie wenig ich von Hitler wusste. Ja, ich ahnte nicht einmal, dass ich das alles wissen musste, was ich mittlerweile weiß. Dass er dämonisch und ganz normal war, ein Irrer mit flackerndem Blick und ein galanter Herr, fürsorgendes Monster, gnadenloser Liebhaber, zärtlicher Massenmörder. Dass er selbst seinen Getreuen der ersten Stunde misstraute, von einigen seiner gehorsamsten Gefolgsmänner verraten wurde und nicht erst am Ende in undurchdringliche Einsamkeit entrückt war.

Aber jetzt durchschaue ich ihn, denn ich habe ihn als zitternden Feigling gesehen, der im Führerbunker von der Vorsehung noch ein paar jämmerliche Tage Aufschub erfleht, als zornesbebenden Feldherr, der seine erfolglosen Generäle zusammenstaucht, als ergriffenen Vater der Nation, der beim Begräbnis eines gefallenen Günstlings der Witwe gramerfüllt kondoliert. Ich war ganz nahe bei ihm, man konnte alles genau erkennen, den heute etwas lächerlich anmutenden Schnurrbart, die an den Schädel geklatschten Haare, den bitter verschlossenen und den zu ekstatischem Schreien geöffneten Mund mit den schadhaften Zähnen darin. Übler Mundgeruch, wurde ich aufgeklärt, hat ihn geplagt. Na dann. Als Tobias Moretti gleich wie als Bruno Ganz ist mir Hitler mittlerweile privat bestens bekannt. Ich weiß über "Hitler - Aufstieg des Bösen" Bescheid und über "Hitler - Größenwahn und Untergang", über die "Letzten Tage im Führerbunker" ohnedies und "Hitler - Die Familie" sowieso. Nach der medialen Kur der letzten Woche stehe ich mit ihm auf vertrautem Fuß und wie mit den Helden von "Big Brother" gewissermaßen auf Du und Du. So viele Fragen, die ich gar nicht gestellt hatte, wurden mir beantwortet.

Keine Antwort erhielt ich aber auf eine Frage, die mich interessiert hätte: Warum sich dem Unaussprechlichen nämlich so viele Millionen Menschen ergeben haben.

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