Welches Buch fängt so an?
"Lieber [VERWANDTER], Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir."
So mancher Mensch, der beim Schreiben, wie man so sagt, eine gute Hand hat, ist mündlich nicht ansatzweise so wortgewandt, vielleicht sogar gehemmt. Solch ein Mensch wird, wenn es gilt, sich in einer Sache eine vorteilhafte Position zu verschaffen, eher die Schriftform wählen, als, in welcher Form auch immer, das Gespräch zu suchen. Der Autor des Buches, nach dem hier gefragt wird, war ein brillanter Formulierer, ein kompetenter Beschreiber von durchwegs niederschmetternden Ereignissen. Andererseits war er ein Mensch, der dem selbstbewußten Gerede einer ihm nahestehenden autoritären Person nicht gewachsen war und darunter zeitlebens gelitten hat. Er hat also das Werk verfaßt, nach dem hier gefragt wird, und dafür die Briefform gewählt. Der Mensch, der in dem Werk eine Hauptrolle spielt, eben jener autoritäre Verwandte, hätte sich von dem Text wohl nicht sonderlich beeindrucken lassen. Damit hat der Verfasser des Textes vermutlich auch gerechnet, jedenfalls war er nicht in der Lage, den autoritären Verwandten mit seinem Werk zu konfrontieren. Tja, wenn es gilt, jemanden in die Schranken zu weisen, darf man offene Konflikte nicht scheuen, und oft sind Höflichkeit und Nachgiebigkeit durchaus fehl am Platz.
Auflösung Furche 42/99: Das Buch von Friedrich Glauser (1896 -1938) ist 1936 erschienen, allerdings unter dem banalen Titel "Wachtmeister Studer". Das Werk war der Durchbruch für Friedrich Glauser, der mehrmals in psychiatrischen Anstalten und morphiumsüchtig war. Großartig an seinen durchwegs spannenden und niveauvollen Kriminalromanen sind die Beschreibungen des ganz und gar nicht idyllischen dörflichen Lebens.
Schlumpf Erwin Mord.
Wachtmeister Studer.
Von Friedrich Glauser. Unionsverlag, Zürich 1998. 256 Seiten. S 109,-./e 5,22
