Bedingungsloses Grundeinkommen

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"Gott liebt uns bedingungslos.“ Wie oft habe ich diese Worte schon von einer Kanzel herab sagen hören oder selbst gesagt!

Was bedeutet der zentrale Glaubenssatz meiner Tradition in einer von den Regeln des Kapitalismus durchdrungenen Welt? Wenigstens Gott liebt uns bedingungslos, damit wir den Druck der allgegenwärtigen Verwertungslogik besser aushalten? Gott liebt uns bedingungslos, unter der Bedingung tätiger Kirchentreue? Gott liebt uns bedingungslos - und diese Liebe sollen wir weitergeben, indem wir, zum Beispiel, mit einem bedingungslosen Grundeinkommen dem ebenso gnadenlosen wie unfruchtbaren und im übrigen kaum je verwirklichten Prinzip "Geld nur gegen systemtaugliche Effizienz“ die Spitze brechen? Und einander ein wirkliches hiesiges Leben in Würde und Teilhabe ermöglichen?

Es scheint, als hätten sich viele Kirchenleute in ihrem Schwebezustand zwischen himmlischen und irdischen Zuständigkeiten und der entsprechenden paradoxalen Rhetorik so behaglich eingerichtet, dass ihnen die möglicherweise nicht nur verbale Koinzidenz von bedingungsloser göttlicher Liebe und der Möglichkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht einmal auffällt. Die von mir darauf angesprochenen Damen und Herren reagieren jedenfalls größtenteils erstaunt: "Aber das hat doch nichts miteinander zu tun! Mit einem Grundeinkommen würde doch kein Mensch mehr arbeiten! Das würde niemals funktionieren! Ich selber wüsste zwar, was ich damit tun würde, aber die anderen sind dazu nicht fähig!“ - Aha. Und was bedeutet dann "Inkarnation“? Und "Nachfolge“?

Weil ich mutige Neuanfänge schätze, werde ich dabei sein, wenn demnächst in der Schweiz die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen lanciert wird. Als Theologin ohne kirchlichen Auftrag.

Der Autorin ist ev. Theologin und Schriftstellerin in der Schweiz

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