Begeisterte Beschimpfte

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Als Claus Peymann Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" 1966 am Frankfurter "Theater am Turm" herausbrachte, gab es Tage, an denen es zu Tumulten kam und Zuschauer die Bühne stürmten. Seitdem ist viel Zeit vergangen und der einst schockierende Text längst ein Klassiker. Der revolutionäre Elan von damals, mit dem der junge Peter Handke das Ende des konventionellen Theatergeschehens - die Vortäuschung von Wirklichkeit - mit aufklärerischem Habitus ausrief, läuft heute eher in Gefahr, antiquiert zu wirken. Außer man begegnet, wie im Akademietheater, dem Glücksfall einer zeitgemäßen Aufführung.

Hier braucht der vom Autor geforderte "tosende Beifall" nicht über Lautsprecher eingespielt werden, den übernehmen die "Beschimpften" mit Begeisterung selbst. Doch auch sonst setzt sich Philip Tiedemanns lustvolle, schwerelose Inszenierung über nahezu alles hinweg, was Handke gefordert hat. Geschickt entzieht der Regisseur den Text seiner historischen Entstehungszeit und behandelt ihn als das, was er ist: eine gar nicht langweilige Sprach-Partitur mit hoher Musikalität und großer Überzeugungskraft.

Das hier ist Theater und nichts anderes, verkünden am Beginn vor nackter Bühnenwand und über hochgewirbeltem Papier (Bühne: Claudia Vallant) die vier Sprach-Spieler Boris Jacoby, Juergen Maurer, Dirk Nocker und Steffen Schroeder. Sie formen feine Charaktere , steigern ihr raumfüllendes Spiel mit doppelbödigem Humor bis zur Beschimpfungsraserei - um danach einfach in den Schnürboden zu entschweben.

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