Beklemmende familiäre Enge

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Mit Thomas Bernhards "Vor dem Ruhestand“, einer "Komödie von deutscher Seele“, startete das Theater in der Josefstadt ambitioniert in die neue Saison. Ein wichtiger Abend, der gerade in der heutigen Zeit wieder daran erinnert, dass sich hinter der gutbürgerlichen konservativen Fassade (rechts-)radikales Gedankengut verbergen kann. Getragen wird der Abend von großartigen Schauspielern, allen voran Nicole Heesters (Vera). Ihre Darstellung ist auf den ersten Blick durchaus liebreizend, auf den zweiten mehr von reizender Bosheit. Mit fester Hand hält sie die Geschwister zusammen, aber vor allem ihre Umarmung Claras wirkt nicht liebevoll, sondern erstickend. Diese, die seit einem Bombenangriff während des Krieges im Rollstuhl sitzt, wird von Sona MacDonald auf beklemmende Art gespielt. Sie weiß geschickt, Vera und Rudolf gegeneinander auszuspielen. Michael Mendl als Rudolf changiert zwischen großer Gelassenheit, Verfolgungswahn und cholerischem Verhalten, wobei er immer ganz das Familienoberhaupt bleibt.

Abgründige Harmlosigkeit

Regisseur Elmar Goerden hat sich entschieden, die Schauspieler wie in einem Konversationsstück agieren zu lassen. Was anfänglich harmlos wirkt, entblößt bei genauem Zuhören mehr und mehr die Abgründe dieser Familie. Obwohl die beiden Schwestern unter ihrem Bruder leiden, können oder wollen sie doch nicht aus dieser Konstellation ausbrechen. Sie spielen mit, wenn jedes Jahr am 7. Oktober bei zugezogenen Vorhängen ein feierlicher Abend anlässlich des Geburtstags von Heinrich Himmler stattfindet. Da wird dann auch im Familienalbum geblättert, wobei vor allem Vera die Fotos - von den Erinnerungen des Bruders an Gräueltaten genervt, die Augen, wie wahrscheinlich schon damals, vor der Wirklichkeit verschließend - an sich vorüberziehen lässt. Rudolf brachte es während der NS-Zeit bis zum stellvertretenden KZ-Kommandanten und wurde nach dem Krieg von seinen Schwestern versteckt, sodass er nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Nach einigen Jahren im Untergrund machte er Karriere als Richter, schließlich sogar als Gerichtspräsident.

Agiert wird in einem typisch konservativen Wohnzimmer der 1960er-Jahre, mit dunklen Vollholzmöbeln und einer Marienstatue an der Wand. Der Einfall, keinen großen Salon zu zeigen, gibt dem Abend von Beginn an etwas Beklemmendes. Enervierend die Musik von Matteo Fargion: Oftmals scheint sie an der falschen Stelle einzusetzen und teilweise übertönt sie den Text.

Vor dem Ruhestand

Theater in der Josefstadt

19., 20., 23., 24., 25., 26., 27. September, 15., 16., 17., 18., 21., 22., 23., 24. Oktober

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